In der Debatte, ob die 37.500 Asylanträge für das laufende Jahr ein "Richtwert" oder eine "Obergrenze" sind, wird ein ganz praktischer Aspekt ignoriert: Wenn die Regierung tatsächlich, wie es zuerst die ÖVP propagiert hat und nun auch Kanzler Werner Faymann befürwortet, bis zu dieser Zahl Anträge annimmt und ab dann konsequent abweist, erzeugt sie für die kommenden Monate erst recht jene Sogwirkung, die sie eigentlich verhindern will. Potenzielle Migranten werden noch schnell versuchen, vor der befürchteten Schließung der Grenzen nach Spielfeld zu gelangen. Denn ob man danach noch nach Deutschland weitergereicht wird, ist ebenfalls ungewiss.

Dieser Plan ist eine Einladung

Bei einem solchen Wettlauf nach Österreich würde das Jahreslimit schon weitaus früher erreicht werden, als es Innenministerin Johanna Mikl-Leitner derzeit prognostiziert. Und der Flüchtlingsstrom würde auch dann nicht sofort abreißen. Dieser Plan ist eine Einladung an Flüchtlinge, sich möglichst rasch auf den Weg zu machen.

Vorgespielte Entschlossenheit

Wer den Flüchtlingsstrom bremsen will, sollte für flexible Richtwerte eintreten, die von Maßnahmen zur Beschränkung von Asylanträgen begleitet werden. Das wäre zwar auch vielen Kritikern der "Obergrenzen" zu restriktiv. Aber die neue Position der Bundesregierung ist noch schlechter: Offenbar ist es ihr wichtiger, der Öffentlichkeit Entschlossenheit vorzuspielen, als wirksame Wege zur Entlastung des Landes zu suchen. (Eric Frey, 24.1.2016)