Kommentar

Athen zeigt Mut gegen Erdogan

Die Entscheidung des obersten Gerichtshofs, acht türkische Offiziere nicht auszuliefern, kommt Griechenland politisch teuer zu stehen. Dennoch ist sie absolut richtig.

Ivo Mijnssen
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Die acht Soldaten, über die Griechenland nun befand, waren im Juli mit diesem Helikopter aus der Türkei ins Nachbarland geflüchtet. (Bild: Panagiota Tsikaki /Eurokinissi / Reuters)

Die acht Soldaten, über die Griechenland nun befand, waren im Juli mit diesem Helikopter aus der Türkei ins Nachbarland geflüchtet. (Bild: Panagiota Tsikaki /Eurokinissi / Reuters)

Einen politischen Beliebtheitspreis hat sich das Oberste Gericht Griechenlands nicht geholt: Die Entscheidung, acht türkische Offiziere und Unteroffiziere nicht an ihre Heimat auszuliefern, betrübt die Regierung in Athen und erzürnt jene in Ankara. Eine Überstellung hätte Griechenland viele Probleme erspart. Doch die Richter verteidigten ihre Unabhängigkeit gegen alle Druckversuche. Das ist richtig und mutig.

Hexenjagd gegen «Putschisten»

Dass die Pressionen hauptsächlich aus der Türkei kamen, überrascht nicht. Seit dem Putschversuch im Juli veranstaltet die Regierung eine beispiellose Hexenjagd gegen echte und imaginäre Putschisten. Zehntausende wurden entlassen, verhaftet und teilweise auch gefoltert, meist ohne Beweise dafür, dass sie den Putsch unterstützten. Nach dem Motto «Wo Holz gehackt wird, fliegen Späne» zeigten die Behörden wenig Sinn für prozedurale Feinheiten; das Chaos an den Gerichten kritisierte jüngst sogar der Ministerpräsident.

Die Athener Richter mussten somit gegen eine Auslieferung entscheiden, drohte doch auch den acht Militärangehörigen in der Türkei Willkürjustiz. Hätte es dafür noch eines Beweises bedurft, lieferte diesen das türkische Kesseltreiben gegen das Gericht: Unverhüllt drohte Ankara den Griechen mit einer Verschlechterung des bereits angespannten Verhältnisses. Dass dies keine leeren Worte sind, unterstrichen Erdogans Infragestellung historischer Grenzen, die Zunahme gefährlicher Militärmanöver in der Ägäis und die Drohung, neue Flüchtlingsströme nach Europa zu schicken.

Chance für Griechenland

Die griechische Regierung liess sich davon durchaus beeindrucken. Verschiedene Mitglieder sprachen sich für eine Auslieferung aus. Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras versicherte Recep Tayyip Erdogan, «Putschisten» seien nicht willkommen. Griechenlands Realpolitiker hätten wohl gerne auf einen weiteren Krisenherd verzichtet, denn die Reaktion der Türkei auf das Urteil wird zweifellos wütend ausfallen.

Dennoch wird auch Tsipras nicht entgehen, dass dieses auch positive Seiten hat: Der Vorwurf, vor der Türkei eingeknickt zu sein, wäre auch innenpolitisch gewichtig gewesen. Stattdessen steht das Land nun als Verteidiger des Rechtsstaates und der Gewaltentrennung gegen den Autoritarismus da. Daran können sich andere EU-Mitglieder ein Beispiel nehmen: In mehreren Ländern, darunter auch Deutschland, sind Asylanträge von Offizieren hängig. Der türkische Druck ist auch hier gross.

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