Kommentar

5 Kandidaten in Frankreich

Benoît Hamon hat sich bei den französischen Sozialisten die Präsidentschaftskandidatur gesichert. Doch mit seinen linken Utopien dürfte er nicht weit kommen.

Andres Wysling
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Die Hauptfrage der kommenden Wahlen in Frankreich lautet: Wird Marine Le Pen Präsidentin? Ein Sieg der Führerin des Front national ist derzeit überhaupt nicht auszuschliessen, auch wenn die Meinungsumfragen ihr voraussagen, dass sie in der ersten Wahlrunde zwar bestehen, in der zweiten aber durchfallen werde. Der Wahlkampf dauert noch gut drei Monate, seine Dynamik ist unberechenbar. Der Trump-Effekt wird die Stimmung stark beeinflussen, auch mit Putin-Trollen ist zu rechnen. Die Propaganda läuft auf Hochtouren, Zufälle und Unfälle können sich auf die Meinungsbildung auswirken, von möglichen Anschlägen gar nicht zu reden.

Der Spitzenkandidat der französischen Sozialisten: Benoît Hamon. (Bild: Christian Hartmann / Reuters)

Der Spitzenkandidat der französischen Sozialisten: Benoît Hamon. (Bild: Christian Hartmann / Reuters)

Das Kandidatenfeld für die erste Runde der Präsidentenwahl am 23. April ist abgesteckt. Bei den Sozialisten hat sich Benoît Hamon durchgesetzt – ein Sieg des Linkspopulismus. Er schwelgt in linken Utopien und träumt von einer schönen neuen Welt, wo die Leute dank Automatisierung immer weniger arbeiten und von einem staatlichen Grundeinkommen leben. Links von ihm ruft Jean-Luc Mélenchon zur «Bürgerrevolution», er will eine «VI. Republik» errichten. Mit Hirngespinsten dieser Art eignen sich die beiden eher für Fernsehdebatten als zum Regieren. Keiner dürfte die Stichwahl erreichen.

In der Mitte und zur Rechten machen sich ebenfalls zwei Kandidaten das Feld streitig. Der frühere Premierminister François Fillon hat in der Vorwahl einen guten Start hingelegt, hat jetzt allerdings einen – noch nicht erwiesenen – Skandal am Hals. Zudem ist er den einen zu liberal oder «brutal» im Wirtschaftlichen, den andern zu konservativ im Gesellschaftlichen. Das Gegenstück zu ihm ist der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Er wurde schon als «Fillon soft» apostrophiert. Als Banker hat er in einer sozialistischen Regierung mitgewirkt – er könnte in einem breiten Spektrum Stimmen gewinnen. Einer dieser beiden Kandidaten wird es in die zweite Wahlrunde schaffen.

In der Stichwahl am 7. Mai kommt es dann voraussichtlich zum Duell Fillons oder Macrons mit Marine Le Pen. Sie weiss eine feste Anhängerschaft von etwa 30 Prozent der Stimmberechtigten hinter sich, die sogenannten Wutbürger. Die Frage ist, ob sie zusätzliche 20 Prozent der Stimmen gewinnen kann.

Le Pens Kampagne für einen starken Staat mit einer starken Staatswirtschaft, gegen Ausländer und Muslime, gegen Hochfinanz und Globalisierung kann ihr Zulauf sowohl aus dem bürgerlichen wie aus dem linken Lager bescheren. Zudem kann sie hoffen, dass viele Stammwähler der Linken in der zweiten Wahlrunde zu Hause bleiben. Wenn der «republikanische» Schulterschluss gegen den Front national diesmal versagt, kann Le Pen der Durchmarsch gelingen.