Kommentar

Palästinenser unter Druck

Trump stellt die Zweistaatenlösung in Frage und setzt – zumindest kurzfristig – die Palästinenser unter Druck. Die arabische Welt will er mit einem aggressiveren Kurs gegen Iran ins Boot holen.

Christian Weisflog
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Präsident Donald Trump und sein israelischer Amtskollege Benjamin Netanjahu verlassen den Westflügel des Weissen Hauses (Aufnahme: 15. Februar). (Bild: Michael Reynolds / EPA)

Präsident Donald Trump und sein israelischer Amtskollege Benjamin Netanjahu verlassen den Westflügel des Weissen Hauses (Aufnahme: 15. Februar). (Bild: Michael Reynolds / EPA)

Auf den ersten Blick ist es eine historische Zäsur: Die USA verabschieden sich unter Präsident Trump von der fixen Idee einer Zweistaatenlösung im Nahost-Konflikt: «Ob ein Staat oder zwei Staaten, ich kann mit beidem leben.» Mit diesen Worten stellte Trump am Mittwoch ein Konzept zur Disposition, das im Prinzip seit dem Uno-Teilungsplan für Palästina vor siebzig Jahren als elegantester Weg aus einem schier unlösbaren Dilemma gilt.

Bei etwas nüchterner Betrachtung handelt es sich in Washington jedoch eher um eine rhetorische Kehrtwende. Die Suche nach einer Zweistaatenlösung steht schon lange still. Die Palästinenser tragen daran ebenfalls eine Mitschuld. Allerdings – so formulierte es auch Obamas Aussenminister John Kerry im Dezember – ist es besonders der andauernde israelische Siedlungsbau im Westjordanland, der die Umsetzung einer Zweistaatenlösung immer mehr zur Illusion werden lässt. Trotz dieser Kritik an Israel war jedoch auch die Obama-Administration nicht bereit, schmerzhaften Druck auf ihren wichtigen Verbündeten im Nahen Osten auszuüben. Im vergangenen September sicherte Washington den Israeli rekordhohe Militärhilfen zu. Die Vermittlerrolle der USA im Nahost-Konflikt war selten gänzlich neutral. Im Zweifelsfall für Israel, schien die Devise zu heissen. Sei es aus geostrategischen Interessen oder aufgrund eines geschickten israelischen Lobbyings in Washington.

Allerdings haben auch rhetorische Kehrtwenden ihre Konsequenzen. Der Schein einer neutralen Vermittlerrolle der USA im Nahost-Konflikt und das Versprechen eines eigenen Staates für die Palästinenser haben einen realpolitischen Wert. Er stärkte bisher Amerikas Ansehen und Soft Power in der muslimischen Welt. Der Nahost-Konflikt spielt eine zentrale Rolle im Narrativ der radikalen Islamisten. Sie werden Trumps Politik in ihrer Propaganda als weiteren Beweis dafür interpretieren, dass «die Kreuzzügler» im Westen einzig davon träumen, die Muslime zu unterdrücken.

Besonders für die Regierungen in den arabischen Nachbarländern Jordanien und Ägypten dürfte es nicht einfacher werden, ihre friedlichen Beziehungen zu Israel zu rechtfertigen. Unter noch grösseren Druck kommt die gemässigte Palästinensische Autonomiebehörde von Mahmud Abbas. Sie hat seit der Wahlniederlage gegen die islamistische Hamas 2006 keine demokratische Legitimität mehr. Ihr verbliebener Trumpf war die schwache Hoffnung auf eine Zweistaatenlösung, für die sie der einzige international anerkannte Verhandlungspartner ist.

Angesichts des fehlenden amerikanischen Drucks auf Israel dürfte eine Zweistaatenlösung momentan nur möglich sein, wenn die Palästinenser schmerzhafte Zugeständnisse machen würden. Dies hiesse wohl kein Rückkehrrecht für Flüchtlinge und keine geteilte Hauptstadt Jerusalem. Die Frage ist nur, ob die Palästinenser mehrheitlich bereit sind, diese vielleicht letzte Chance auf den vielgenannten Spatz in der Hand zu nutzen, oder ob sie nun erst recht der radikalen Hamas folgen, um die Taube auf dem Dach zu jagen. Langfristig könnte eine solche palästinensische Abkehr von der Zweistaatenlösung vor allem für Israel fatal sein, da nur sie einen jüdischen und demokratischen Staat ermöglichen würde.

Wie auch immer sich die Palästinenser entscheiden, von ihren sunnitisch-arabischen Brüdern können sie kaum Unterstützung erwarten. Vor allem Saudiarabien scheint der Kampf für Palästina weniger wichtig als jener gegen den schiitischen Iran zu sein. Hier trifft Trumps und Israels scharfe Rhetorik gegen Teheran ganz den arabischen Geschmack.

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