Die Idee klingt verlockend: Gerade in einer Zeit, wo in Washington die Parole "America first" gilt, tun sich in Europa Unternehmen zusammen, um "europäische Champions" zu werden, wie es der PSA-Chef Carlos Tavares ausdrückt. So ein Champion soll entstehen, wenn der französische Autokonzern PSA mit seinen Marken Peugeot und Citroën bis Jahresende den deutschen Hersteller Opel mit der britischen Schwester Vauxhall vom bisherigen Eigner General Motors (GM) übernimmt.

Auch nach dem Deal bleibt in der europäischen Autoindustrie zwar "Volkswagen first". Aber mit fast 17 Prozent Marktanteil zieht PSA/Opel dann an Renault vorbei und wird zur Nummer zwei der Branche in Europa – also zu einem der ganz Großen. In den Zahlen zumindest. Denn vom Glanz eines Champions bleibt der so fusionierte Konzern noch weit entfernt. Größer wird PSA durch den Zukauf. Aber auch erfolgreicher?

Unter dem Strich bringt der Zukauf den Franzosen nur wenig Zuwachs. Denn Peugeot, Citroën und Opel bauen ähnliche Autos, vor allem Mittelklassewagen, und bedienen ähnliche Käuferschichten. Da ergänzt sich nichts, der Konzern kann höchstens Synergien nutzen. Was nichts anderes heißt als: von Skaleneffekten profitieren, an Doppelstrukturen sparen – also auch Stellen kürzen. In der Produktion, aber vor allem in der Verwaltung, denn viele zentrale Funktionen wie Vertrieb und Marketing müssen nicht in Paris und Rüsselsheim besetzt sein. Gleiches könnte für Forschung und Entwicklung gelten.

Mit Stellenabbau hat PSA-Chef Tavares ohnehin Erfahrung: Auf diese Weise sanierte er den angeschlagenen französischen Konzern. Es wäre blauäugig zu glauben, dass Opel ein ähnliches drastisches Sanierungsprogramm erspart bliebe. Die Rüsselsheimer verbuchen seit fast zwei Jahrzehnten Jahr für Jahr Verluste. Unverblümt hat Tavares klargemacht, dass Opel zügig in die schwarzen Zahlen kommen muss. Schon 2020 soll die Wende geschafft sein. Wie das gehen soll, müsste längst allen klar sein: Jobabbau, vermutlich Werksschließungen.

Arbeitsplätze abgebaut, Gewinn kräftig erhöht

So hat es der Portugiese mit PSA vorgemacht. 8.000 Stellen wurden gestrichen, unter anderem mittels Frühverrentung. Zudem wurden Arbeitsplätze ausgelagert, ein Werk nördlich von Paris wurde dichtgemacht. Tavares reduzierte die Zahl der Fließbänder und lässt jetzt mehrere Modelle auf einer Plattform bauen. Der Erfolg: Nur wenige Jahre nach der Beinahepleite verkündete Tavares erst kürzlich für 2016 glänzende Zahlen, der Jahresgewinn stieg um fast 80 Prozent auf knapp 2,2 Milliarden Euro. Allerdings beklagen französische Gewerkschafter, dass sich die Arbeitsbedingungen verschlechtert hätten.

Ihre deutschen Kollegen können sich auf ähnlich harte Schnitte einstellen. Analysten glauben, dass Tavares bei Opel und Vauxhall locker 10.000 Stellen einsparen könnte. Für die rund 19.000 deutschen Beschäftigten gilt noch eine Jobgarantie, die auch PSA übernehmen will. Aber sie läuft Ende 2018 aus, zwölf Monate nach Abschluss des Kaufs. Und auch die von GM tarifvertraglich zugesagte Produktion in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach gilt nur bis 2020.

Für die Mitarbeiter in den Werken der britischen Opel-Schwester Vauxhall dürfte die Übernahme glimpflicher ausgehen, denn nach dem Brexit wird es für den dann vergrößerten PSA-Konzern erst recht von Vorteil sein, auf der Insel Autos für den dortigen Markt herzustellen. Doch umso schwieriger wird es für die deutschen Fabriken. Zwar sagte Tavares, die Schließung von Opel-Werken sei nicht notwendig, wenn diese produktiver würden. Doch PSA und Opel kommen zusammen auf fast 20 Werke in Europa, die in dieser Zahl kaum rentabel zu betreiben sind.

Opel in Deutschland

An den deutschen Opel-Standorten sind zur Zeit rund 19.000 Menschen beschäftigt.

Allerdings: Dass Opel saniert werden muss, ist schon seit Jahren klar. Die US-Mutter GM machte nur halbherzige Schritte, akzeptierte jahrelang die roten Zahlen. Unter Karl-Thomas Neumann an der Spitze verbesserte sich die Lage bei Opel zwar, mit attraktiven neuen Modellen wie dem SUV Mokka oder dem Lifestyle-Kleinwagen Adam. Doch Gewinne schrieb das Unternehmen weiterhin nicht.

Ohne China geht es nicht

Insofern ist die Übernahme durch PSA auch eine Chance. Die Einschnitte werden für viele Opelaner drastisch sein – in ihren Ohren wird die heutige Aussage von Kanzleramtschef Peter Altmaier, der die Einigung als "gute Nachricht" für die Opel-Beschäftigten bezeichnete, wie Hohn klingen. Aber auf längere Sicht dürfte die Zukunft für den Rüsselsheimer Autobauer unter PSA besser aussehen als unter GM-Führung.

Dazu gehört allerdings ein entscheidender Schritt: PSA und Opel müssen ihren Blick auf die Märkte jenseits von Europa weiten. Beide sind global deutlich schwächer aufgestellt als etwa der große Konkurrent VW. Gerade Opel und die britische Schwester Vauxhall durften, weil ihre bisherige Mutter es verlangte, außerhalb Europas nicht aktiv werden. Denn dort, in Asien oder Amerika, wollte GM lieber Chevrolets oder Buicks verkaufen.

Ohne die kurze GM-Leine könnte Opel künftig den asiatischen Markt erobern – wenn der neue Konzernchef die Rüsselsheimer Marke lässt. Der Markteintritt in Asien würde in jedem Fall viel Geld kosten. Darum herumkommen wird Tavares nicht, schon angesichts der weiterwachsenden Bedeutung des chinesischen Marktes. Erst dann würde PSA plus Opel wirklich zu einem "Champion".