Kommentar

Die Schattenseiten der schönen neuen Welt

Mobiltelefon, Fernseher oder Babyfon: Immer mehr Alltagsgeräte drängen ins Internet. Die Enthüllungen zu den Abhörmethoden der CIA offenbaren die Schwachstellen der digitalen Vernetzung. Das ist nicht nur schlecht.

Marie-Astrid Langer
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Die jüngsten Enthüllungen von Wikileaks bieten viel Potenzial zur Empörung – etwa darüber, dass die Plattform von Julian Assange ihren Krieg gegen die amerikanische Regierung fortsetzt und schon wieder streng vertrauliche und womöglich sicherheitsrelevante Praktiken der Geheimdienste in die Öffentlichkeit trägt. Ebenso könnte man sich erzürnen, weil die Amerikaner unverfroren so ziemlich alles anzapfen und abhören, was nur irgendwie mit dem Internet verbunden ist. Empörend ist auch, dass die Regierung dafür offenbar Sicherheitslücken hortet, statt diese unverzüglich den Herstellern zu melden; somit nimmt sie billigend in Kauf, dass auch Kriminelle diese Schlupflöcher nutzen können.

Doch die jüngsten Schlagzeilen zu den Abhörpraktiken des amerikanischen Auslandgeheimdienstes haben auch etwas Gutes – sie befeuern die öffentliche Diskussion. Die Enthüllungen führen einem breiten Publikum vor Augen, was Sicherheitsexperten bereits seit Jahren predigen: wie verwundbar die neue digitale Welt ist. Dass an das Internet angeschlossene Fernseher Spione im eigenen Wohnzimmer sein können, ist seit mehr als zwei Jahren bekannt; der Hersteller Samsung hat explizit darauf hingewiesen. Doch derartige Warnungen treten in den Hintergrund, weil das Streben nach neuen, komfortablen digitalen Diensten überwiegt. Weil man seinem Fernseher gerne zurufen können will, zu welchem Programm er umschalten soll, verschliesst man davor die Augen, dass er auch private Gespräche aufzeichnet.

Das Internet of Things als Megatrend nimmt bizarre Auswüchse an; vom Hundefressnapf über die Personenwaage bis zum Babyfon scheint alles vernetzt werden zu müssen, was nur irgendwie online gehen kann. Vorfälle wie die jüngsten Wikileaks-Enthüllungen oder auch die DDoS-Attacke im Oktober, bei der Millionen vernetzter Heimgeräte für einen Angriff zweckentfremdet wurden, zeigen jedoch die Schattenseiten dieser schönen neuen Welt auf.

Gleiches gilt für die digitale Kommunikation: Sie kann abhörsicher sein, wenn man über das nötige Fachwissen verfügt. Die Mehrheit der Nutzer tut das nicht. Sicher kommunizieren wollen sie trotzdem im virtuellen Raum und glauben den Marketingversprechen von Apple oder von Facebooks Whatsapp, die mit vermeintlich einfachen Lösungen locken. Doch die angepriesenen Verschlüsselungen nützen nichts, wenn sich ein Angreifer zuvor einen Zugriff auf das gesamte Betriebssystem des Smartphones sichern kann, wie nun bekanntwurde.

Das mag ein böses Erwachen für viele Nutzer bedeuten. Doch Tatsache ist: Was technisch möglich ist, werden Nachrichtendienste – und nicht nur amerikanische – ebenso wie kriminelle Akteure immer auch ausreizen. Sie liefern sich einen Wettlauf mit IT-Sicherheitsexperten, bei dem der normale Nutzer abgeschlagen hinterherhinkt. Diese Erkenntnis kann aber der erste Schritt auf dem Weg sein, um einen aufgeklärteren und eigenverantwortlichen Umgang mit neuen Technologien zu erreichen.