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Meinung Ungarn

Für Viktor Orban ist George Soros Staatsfeind Nr. 1

Orban ruft Populisten zum Kampf gegen „unheilige Allianz“ auf

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat Rechtspopulisten in Europa zum gemeinsamen Handeln aufgerufen. Sie müssten sich gegen die „unheilige Allianz der Brüsseler Bürokraten“ zur Wehr zu setzen.

Quelle: N24/Christoph Hipp

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Ungarns Premier will, dass die letzte freie Bildungseinrichtung im Land schließt: die von Soros gegründete Central European University. Ein weiterer Schritt auf dem Weg in Orbáns „illiberalen Staat“.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán ist ein gebildeter Mann. Er hat in Oxford studiert – dank eines Stipendiums von George Soros. Jetzt macht sich Orbán daran, die von Soros 1991 in Budapest gegründete Central European University (CEU) zu schließen.

Sie ist eine internationale, der Wahrheitsfindung und Wissenschaftsfreiheit verpflichtete Institution, die sich dem autoritären Zugriff des ungarischen Regimes bis jetzt entziehen konnte. In dem „illiberalen Staat“, den Viktor Orbán nach dem Vorbild Russlands und der Türkei in Ungarn errichten will, ist für eine kosmopolitische Universität kein Platz.

Die CEU ist eine private, ursprünglich von Soros durch regelmäßige Zuwendungen finanzierte, jetzt von ihm unabhängige Hochschule, die in den USA wie in Ungarn akkreditiert ist. Ihre Gründung gehörte zu den vielfältigen Aktivitäten, die Soros im Rahmen seiner Open Society Foundation unternahm, um die Demokratiebewegungen in den Ländern des früheren Ostblocks zu fördern.

Gut vorbereitete Pressekampagnen

Dazu zählten in Polen die Gewerkschaft Solidarnosc und in der Tschechoslowakei die Charta 77. Soros entging als Kind nur durch Zufall der Verfolgung durch die Nazi-Besatzer. In seiner Geburtsstadt Budapest wollte er mit der CEU eine akademische Institution errichten, deren Absolventen sich entschieden für die Werte der Demokratie, für die Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte einsetzen würden.

Die Professoren und Studenten der CEU kommen aus der ganzen Welt. Nicht zuletzt für Bewerber aus den ehemaligen Sowjetrepubliken ist die CEU hoch attraktiv, weil ihre Abschlussdiplome in Ungarn und in den USA anerkannt werden und gute Beschäftigungschancen eröffnen.

Schon lange empfand Viktor Orbán die CEU als einen Skandal, konnte sie aber in ihrer Existenz nicht gefährden – bis jetzt. Vorbereitet durch Pressekampagnen, die sich gegen Soros richteten, in dem Orbán den Staatsfeind Nr. 1 sieht, wird nunmehr dem Parlament der Entwurf eines Gesetzes über die Privatuniversitäten unterbreitet, dessen Bestimmungen bei genauer Lektüre eine einzige Hochschule treffen: die von George Soros gegründete CEU.

2021 droht die Schließung

Dazu gehört die Einführung von Arbeitsbewilligungen für Professoren und Studenten aus Nicht-EU-Ländern, die es bisher nicht gab. Sie würden es der Regierung ermöglichen, das Personal der Universität zumindest in Teilen zu kontrollieren.

Mit dieser und anderen Bestimmungen könnte die CEU vielleicht überleben. Einer zentralen Forderung aber kann sie nicht nachkommen. Davon wird ihre Existenz bedroht. Das Gesetz schreibt vor, dass eine „ausländische Universität“, die ihren Sitz in Ungarn hat, im Herkunftsland einen eigenen Campus unterhalten muss.

Dies ist bei der auch im Staate New York akkreditierten CEU nicht der Fall. Einen neuen Campus muss sie laut Gesetzesentwurf bis zum 15. Februar 2018 errichten. Wird dieser Termin nicht eingehalten, darf die Universität für das akademische Jahr 2018/19 keine neuen Studenten mehr immatrikulieren. 2021 muss sie den Betrieb einstellen.

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Diese Entwicklung war vorauszusehen. In der Langfristperspektive Orbáns sind die Bildungseinrichtungen von besonderer Bedeutung. So wurde die Aufsicht über die Schulen und Gymnasien von den Kommunen auf den Staat übertragen, zu Direktoren wurden in der Regel Anhänger von Orbáns Partei Fidesz ernannt.

Ein einheitliches Curriculum gilt, 90 Prozent davon sind verbindlich, nur bei zehn Prozent dürfen die Lehrer den Lehrplan variieren. Wie in vielen NGOs – darunter Transparency International und das ungarische Helsinki-Komitee – sieht Orbán auch in internationalen Forschungseinrichtungen „fremdländische Agenten“ am Werk, die den nationalen Interessen Ungarns schaden.

So wurde das Collegium Budapest abgewickelt, das 1992 in einem Verbund europäischer Förderer als erstes Institute for Advanced Study in Mittel- und Osteuropa gegründet worden war. Bis heute überlebt es unter anderem Namen innerhalb der CEU. 1992 sah der konservative Ministerpräsident József Antall in der Gründung des Collegiums einen Beweis für die kosmopolitische Ausrichtung des demokratischen Ungarn. Diese Zeiten sind vorbei.

Ein Land im Griff

Seit den Wahlen vom Sommer 2010 hat sich im Land ein dramatischer Wandel vollzogen. Ein Drittel der Wahlberechtigten verhalf Fidesz zu einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Seither nimmt Orbán das Land wie ein Alleinherrscher in den Griff. Aus der jungen ungarischen Demokratie ist eine Autokratie geworden.

Das Parlament, in dem von einer nennenswerten Opposition nicht mehr die Rede sein kann, ist zu einer Abstimmungsmaschine geworden. Die Gesetzesvorlagen der Regierung werden wie am Fließband verabschiedet. Der Staatspräsident steht nicht länger über den Parteien, sondern repräsentiert nur noch den Willen der Regierung.

Ebenso willfährig verfährt der Generalstaatsanwalt. Die Kompetenzen des Verfassungsgerichts sind so erheblich beschnitten worden, dass es keine kontrollierende Funktion gegenüber der Regierung mehr ausüben kann.

In den öffentlichen Institutionen müssen die dort Beschäftigten fürchten, wegen mangelnder Staats- und Parteitreue ihre Arbeit zu verlieren. Von einer Gewaltentrennung, dem Markenzeichen der Demokratie, kann in Ungarn keine Rede mehr sein. Offen gab Orbán zu, alles tun zu wollen, damit seine Partei Fidesz mindestens zwanzig Jahre lang an der Macht bleibt.

Die EU hält sich zurück

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Professoren und Studenten, die ihre Zukunft in der CEU bedroht sehen, hoffen auf die Hilfe der deutschen Regierung. Angela Merkel soll ein Machtwort sprechen. Welche Illusion! Seit der Flüchtlingskrise reizt die deutsche Kanzlerin Orbán zu permanentem Widerspruch. Wirksam wäre nur ein Eingreifen der EU.

Brüssel aber findet keinen Weg, die legalistischen Tricks des ungarischen Premiers auszuhebeln. Die EU hielt schon die Provokation aus, die darin bestand, dass Viktor Orbán zum Auftakt der ungarischen Ratspräsidentschaft im Jahr 2011 die Pressezensur einführte.

In der EU werden Haushaltsdefizite bestraft, aber Demokratiedefizite hingenommen. Der Brexit reizt die Brüsseler Bürokraten dazu, über Strafmaßnahmen gegen das „perfide Albion“ nachzudenken, die Entrüstung über Recep Tayyip Erdogan ist groß.

In der EU aber hält sich die Entrüstung über den wachsenden Demokratieabbau in ihrer Mitte in Grenzen. Schüchtern beschwört man gegenüber dem Autokraten Orbán die Werte, die Europa angeblich zusammenhalten. Damit sollte man aufhören. Werte, die man nur beschwört, für die man aber nicht kämpft, sind nichts wert.

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