Kommentar

Der Nette und das Biest

Die zwei Kandidaten Marine Le Pen und Emmanuel Macron stehen an der Schwelle zum Elysée. Um seine Gegnerin im zweiten Wahlgang überzeugend zu schlagen, wird Macron sein Profil schärfen müssen.

Andres Wysling
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Emmanuel Macron und Marine Le Pen ziehen in die Stichwahl am 7. Mai ein. (Bild: Gonzalo Fuentes / Reuters)

Emmanuel Macron und Marine Le Pen ziehen in die Stichwahl am 7. Mai ein. (Bild: Gonzalo Fuentes / Reuters)

Die Präsidentenwahl in Frankreich wird zum Plebiszit über die Europäische Union. In der Stichwahl stehen sich die furiose EU-Gegnerin Marine Le Pen und der euphorische EU-Befürworter Emmanuel Macron gegenüber. Das EU-Thema hat auch die Diskussion im Wahlkampf über weite Strecken dominiert. Die Immigration von Arbeitskräften und die Auslagerung von Arbeitsplätzen im Zeichen von EU-Binnenmarkt und Globalisierung sind für viele Franzosen, nicht nur für Arbeitslose und sogenannte Modernisierungsverlierer, ein brennendes Thema.

Die Ultranationalistin Marine Le Pen steht jetzt auf der Schwelle des Elysées. Sie ist eine Frau des klaren Profils. Auch wenn sie behauptet, sie sei nicht rechts und nicht links, so vertritt sie doch eine rechtsextrem geprägte politische Grundhaltung: Der starke Staat befiehlt, die Bürger haben zu gehorchen. Für Freiheit und Eigenverantwortung ist wenig Raum. Doch für ihre Anhänger ist Le Pen die Führerin, die das Land aus der Krise reisst und zu neuer Grösse bringt – dass damit viel eher der Staatsbankrott droht, verdrängen allzu viele.

Ebenfalls in die Stichwahl geht Emmanuel Macron. Er ist ein Mann eher diffuser Positionen. Auch er will sich nicht links und nicht rechts verorten, er steht irgendwo und nirgendwo. Seine Anhänger finden seinen jugendlichen Elan verführerisch, immerhin hat er praktisch aus dem Nichts eine «Bewegung» gezimmert. Skeptiker sehen in ihm das Produkt von Marketingstrategen, eine ferngesteuerte Figur.

Der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron (l.) gewinnt die erste Runde um die Nachfolge Hollandes knapp vor der Front-national-Chefin Marine Le Pen (r.). Verlierer des ersten Wahlgangs sind die Sozialisten und die Konservativen, deren Kandidaten Benoît Hamon, François Fillon und Jean-Luc Mélenchon nicht zum zweiten Durchgang antreten können. (Bild: Christian Hartmann / Reuters)
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Die Präsidentenwahl in Frankreich wird zum Plebiszit über die Europäische Union. In der Stichwahl vom 7. Mai gilt der euphorische EU-Befürworter Emmanuel Macron als Favorit. Er kam beim ersten Durchgang auf 23,9 Prozent. (Bild: Yoan Valat / EPA)
Die «Frexit»-Befürworterin und Nato-Gegnerin Marine Le Pen spricht nach der Bekanntgabe der Resultate zu ihren Anhängern. Sie qualifizierte sich mit einem Stimmenanteil von 21,4 Prozent für die Schlussrunde. (Bild: Olivier Hoslet / EPA)
Le Pen und Macron auf Wahlplakaten. Die beiden Spitzenkandidaten stehen stellvertretend für die EU-Diskussion im Land. Die Immigration von Arbeitskräften und die Auslagerung von Jobs im Zeichen von EU-Binnenmarkt und Globalisierung sind für viele Franzosen ein brennendes Thema. (Bild: Gonzales Fuente / Reuters)
Marine Le Pen lässt sich feiern, nachdem ihre Teilnahme an der Schlussrunde vom 7. Mai klar geworden ist. (AP Bild: Frank Augstein /AP)
Im Hauptquartier des Front national in Henin-Beaumont im Norden Frankreichs schwenken die Anhänger Le Pens Fahnen und skandieren Parolen. (AP Bild: Frank Augstein /AP)
Der Senkrechtstarter Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte empfangen ihre Anhänger im Hauptquartier der Bewegung En Marche la France in Paris. (Bild: Christophe Ena / EPA)
Supporter des erfolgreichen Kandidaten Emmanuel Macron gehen in Paris auf die Strassen. (Bild: Jerome Delay / AP)
Eine Polizeitruppe sichert den Platz bei der Opéra Bastille. Aufgrund der hohen Terrorgefahr und des kürzlich erfolgten Anschlags im Zentrum von Paris sind die Sicherheitsvorkehrungen enorm. (Bild: Julien De Rosa / EPA)
In Frankreichs Hauptstadt Paris gehen Supporter des unterlegenen Jean-Luc Mélenchon auf die Strasse. Manche von ihnen wechseln vermutlich ins Lager von Marine Le Pen. (Bild: François Mori / AP)
François Fillon, der Kandidat der Républicains, erzielt einen Achtungserfolg und erhält 19,9 Prozent der Stimmen. Das reicht trotzdem nicht für den zweiten Wahlgang. (Bild: Christian Hartmann / Reuters)
Jean-Luc Mélenchon, der Kandidat von France insoumise, ist mit 19,6 Prozent dicht auf den Fersen der Spitzenkandidaten, scheidet aber dennoch aus. (Bild: Stéphane Mahe / Reuters)
Weit abgeschlagen ist der Kandidat der Sozialisten, Benoît Hamon. Er erzielt nur gerade 6,4 Prozent der Stimmen. (Bild: Julien De Rosa / Keystone)
Der französische Präsident François Holland gibt in Tulle seine Stimme ab. (Bild: Georges Gobet / AP)
In Paris stehen die Wähler Schlange, um ihre Stimme abzugeben. (Bild: Emilio Morenatti)
Auch viele Auslandfranzosen, wie hier in Lissabon, beteiligen sich an der Wahl. (Bild: Miguel A. Lopes / Keystone)
Noch am Vorabend der ersten Runde kam es in Paris zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei. (22.04.2017) (Bild: Vincent Kessler / Reuters)
Die neusten Umfragen favorisieren den parteilosen Emmanuel Macron, hier mit seiner Frau Brigitte Trogneux, bei der Stimmabgabe. (Bild: Philippe Wojazer / Keystone)
Macron liegt dabei nur knapp vor der Rechtspopulistin Marine Le Pen, der Parteichefin des Front national. (Bild: Ian Langsdon / EPA)
«Die Rechtsextreme bekämpft sich nicht an den Urnen»: Kurz vor den Wahlen hatte es in Marseille Proteste gegen den Front nationale und Marine Le Pen gegeben. (19.04.2017) (Bild: Philippe Laurenson / Reuters)
Auf Le Pen folgt der bürgerlich-konservative Kandidat François Fillon. Er hatte im Vorfeld der Wahlen mit Skandalen zu kämpfen und dadurch an Glaubwürdigkeit verloren. (Bild: Christophe Archambault / Keystone)
Unter den vier Favoriten befindet sich nicht nur die Putin-Bewunderin Le Pen, sondern auch der Fidel-Castro- und Hugo-Chávez-Fan Jean-Luc Mélenchon. (Bild: Christophe Petit Tesson / Keystone)
Um die Sicherheit der Kandidaten und der Wähler zu garantieren, sind am Sonntag über 50'000 Polizisten in Frankreich im Einsatz. (Bild: Guillaume Horcajuelo / EPA) Zum Artikel

Der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron (l.) gewinnt die erste Runde um die Nachfolge Hollandes knapp vor der Front-national-Chefin Marine Le Pen (r.). Verlierer des ersten Wahlgangs sind die Sozialisten und die Konservativen, deren Kandidaten Benoît Hamon, François Fillon und Jean-Luc Mélenchon nicht zum zweiten Durchgang antreten können. (Bild: Christian Hartmann / Reuters)

Die Verlierer sind der bürgerliche Kandidat François Fillon und Benoît Hamon von den Sozialisten; dieser stand geradezu chancenlos da, er blieb sogar weit hinter dem linksutopistischen Wirbelwind Jean-Luc Mélenchon zurück. Die beiden bisher systemtragenden Parteien der Fünften Republik haben eine schwere Niederlage erlitten, und diese dürfte sich im Juni in der Parlamentswahl fortsetzen. Nicht nur haben die Kandidaten beider Parteien nicht überzeugt, es ist auch die Strafe für zehn Jahre Stillstand unter den Präsidenten Sarkozy und Hollande.

Für die zweite Runde der Präsidentenwahl am 7. Mai sagen die Meinungsumfragen eine klare Niederlage für Le Pen voraus. Aber auf den «Front républicain» gegen die extreme Rechte ist kein Verlass mehr, ein Wahlsieg Le Pens liegt im Bereich des Möglichen – falls genügend enttäuschte Bürgerliche zu ihr überlaufen und genügend enttäuschte Linke sich der Stimme enthalten. Um Le Pen überzeugend zu schlagen, wird Macron sein Profil schärfen müssen. Es reicht nicht, nett zu wirken.