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Meinung US-Präsident

100 Tage Trump – nicht so schlimm wie erwartet

Chefkorrespondent Außenpolitik
So sieht Trumps „größte Steuerreform aller Zeiten“ aus

Wer profitiert von Donald Trumps Steuerreform? Begünstig er damit seine eigenes Unternehmen? US-Finanzminister Mnuchin stellte nun die Pläne vor - und reagierte recht dünnhäutig auf Rückfragen.

Quelle: N24/ Sebastian Planthoff

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In seinen ersten 100 Tagen als amerikanischer Präsident hat Donald Trump wenig erreicht – aber auch wenig kaputt gemacht. Für eine Entwarnung ist es allerdings noch zu früh.

Wenn die ersten 100 Tage von Präsident Donald Trump beispielhaft sind für das, was uns in Zukunft erwartet, dann kann man vorhersagen: Es werden anstrengende Jahre, für Politikprofis und Beobachter genauso wie fürs Publikum. In diesen Wochen jagte ein Tweet den anderen, eine unerhörte Behauptung folgte auf die vorhergegangene.

Die Trump-Regierung mutet an wie eine Seifenoper auf Dauersendung mit dem blond beschopften Prahler als Dirigent, der das Publikum mit überraschenden Einsätzen in Atem hält. Und nicht immer ist es möglich, Showeinlagen und Substanz zu trennen.

Tatsächlich hat Trump bisher wenig bewegt und kaum etwas von seinen vollmundig angekündigten Initiativen umsetzen können. Hinter der rasenden und rastlosen Fassade herrschte ein seltsamer Stillstand.

Trumps erster Anlauf zur Ersetzung der von Obama eingeführten Krankenversicherung schlug krachend fehl, und auch das Nuklearabkommen mit dem Iran hat er nicht aufgekündigt. Der Neuanfang mit Russland zerbröselte im syrischen Sand. Die US-Botschaft in Israel wurde nicht wie versprochen nach Jerusalem verlegt.

Der Kongress macht nicht mir

Trumps Mauer zu Mexiko hat vom US-Kongress noch keine Finanzierung bekommen, und seine antimuslimischen Einwanderungsdekrete wurden von den Gerichten genauso gestoppt wie sein Vorhaben, nicht mit Einwanderungsbehörden kooperierenden Gemeinden Bundesgelder zu entziehen.

Und was von der gerade vorgestellten ambitionierten Steuerreform übrig bleiben wird, ist ungewiss, da niemand weiß, wie die Steuerausfälle ausgeglichen werden sollen.

Der Präsident musste auch einräumen, dass viele Sachverhalte komplizierter sind, als der Wahlkämpfer Trump behauptet hatte. Und er hat erfahren, dass selbst ein republikanisch kontrollierter Kongress zuweilen gegen den eigenen Präsidenten rebelliert und nicht einfach nur als Abnickverein für unausgegorene Trump-Revolutionen fungiert.

Wer wie der Autor dieser Zeilen eine Trump-Präsidentschaft in düsteren Farben gemalt hat, muss jedoch auch zugeben: Das Schlimmste ist bisher ausgeblieben. Trump ist kein autoritärer Herrscher geworden. Er kritisiert zwar weiter fleißig Richter, hat sich aber über deren Urteile nicht hinweggesetzt.

Ein wandelnder Interessenkonflikt

Der Präsident ist auch nicht Putins Pudel geworden und scheint fester zu Amerikas westlichen Verbündeten zu stehen, als zu erwarten war. Und er hat bisher auch keinen Handelskrieg mit China entfacht. Das ist zwar eine sehr niedrige Messlatte für einen US-Präsidenten, aber angesichts von Trumps Äußerungen im Wahlkampf spürt man doch Erleichterung.

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Andererseits hat Trump auch die hochgesteckten Erwartungen der Establishment-Gegner nicht erfüllt. Er hat den Washingtoner Sumpf nicht trockengelegt, sondern nur neue Alligatoren reingesetzt. Seine Regierung ist voll von Investmentbankern, Industrievertretern und Lobbyisten.

Trump selbst und seine Familie sind ein wandelnder Interessenkonflikt. Sein Bemühen, Außenseiter an die Futtertröge Washingtons zu bringen, hatte aber einen deutlichen Effekt: einen Mangel an Professionalität, was die Substanz anbelangt, sowie auch einen Mangel an politischer Finesse, die notwendig ist, um im politischen Washington seine Ziele zu erreichen.

Trump hat sich auch nicht etwa als oberster Dealmaker gezeigt, sondern eher als großer Rückzieher, der Dinge einfach aufgibt, wenn er gegen Mauern rennt. Die Regierungsmaschine läuft ebenfalls alles andere als rund, bisher sind nur wenige der Topjobs, die bei Regierungswechseln ausgetauscht werden, neu besetzt.

Auf Kosten der Umwelt

Entschlossenheit zeigte Trump jedoch bei der Deregulierung. Zwar haben Trump und der US-Kongress nur 13 der unter Obama beschlossenen etwa 20.000 Regulierungen bisher zurückgenommen. Auf diesem Gebiet ist aber erheblicher Wille sichtbar, vieles an staatlichen Eingriffen zurückzufahren.

Das wird weitgehend auf Kosten der Umwelt gehen und des Arbeitnehmer- und Verbraucherschutzes. Da ist Trump ganz der Präsident der Bosse – die Arbeiterschaft würde allerdings auch von einem dadurch möglicherweise ausgelösten Wirtschaftsaufschwung profitieren.

In einer Hinsicht hat Trump jedoch schon Schaden angerichtet, der auf lange Sicht wirksam bleiben wird: an der politischen Kultur nämlich. Trump hat als Präsident dort weitergemacht, wo er als Kandidat aufgehört hat.

Er ist der Prahler geblieben, der notorische Lügner, seine Sätze als Präsident sind oft genauso erratisch, wie es seine improvisierten Wahlkampfauftritte waren. Trump hat den Regelbruch zur Norm gemacht und erodiert die Maßstäbe in der ohnehin äußerst polarisierten amerikanischen Politik.

Wie eine Bananenrepublik

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Man erinnert sich kaum noch an all die „Hat er das jetzt wirklich gesagt?“-Momente, wenn Trump wieder mit unglaublichen Behauptungen um die Ecke kam.

Egal ob es die Anzahl der Besucher bei seiner Inaugurationsfeier war; seine Behauptung, drei Millionen Stimmen bei der Wahl seien gefälscht gewesen; oder die durch nichts belegte Anschuldigung, Barack Obama habe ihn abhören lassen: Trump trompetet einfach etwas heraus, um von eigener Bedrängnis abzulenken.

Und Amerika mutet dabei immer mehr wie eine Bananenrepublik an, die von einem eitlen Pfau geführt wird, der von Richtern über Journalisten bis zu kritischen Mitgliedern der eigenen Partei alle abmeiert, die sich ihm in den Weg stellen.

Bisher haben die Institutionen gut gehalten, Trump hat die Opposition mobilisiert und einen Boom bei Bürgerrechtsorganisationen ausgelöst. Die Frage ist jedoch, wie lange etwa die Unabhängigkeit der Geheimdienste, des FBI und anderer staatlicher Organisationen noch Bestand haben wird angesichts der Werteerosion, die vom Weißen Haus allmählich in alle Teile der Regierung durchsickert.

Jetzt hört Trump mehr auf „Erwachsene“

Auch Trumps Denken bleibt unorthodox – man könnte es auch konfus nennen. Beispiel Syrien: Trumps Strafaktion gegen Baschar al-Assads Giftgaseinsatz war eine Machtdemonstration, der weder eine neue noch irgendeine Syrien-Strategie folgte.

Trump ist sprunghaft, sagt heute dies und morgen das. Selbst wenn er sich mit einzelnen Militäraktionen einen gewissen Respekt auf der Weltbühne verschafft hat, so dürfte inzwischen allen klar sein, dass auf das Wort dieses Präsidenten kein Verlass ist.

Ein kleiner Lichtblick besteht allenfalls darin, dass er sich in der Außen- und Sicherheitspolitik nun eher auf die „Erwachsenen“ in seinem Kabinett stützt, die ein traditionelleres Verständnis von Amerikas Rolle in der Welt haben als Trump oder sein rechter Bombenwerfer Steve Bannon, der deutlich an Einfluss verloren hat.

Die Welt und der Westen haben diese ersten 100 Tage der Trump-Regierung einigermaßen heil überstanden. Das macht Hoffnung. Aber für Entwarnung ist es deutlich zu früh.

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