Der Faschismus in Frankreich ist abgewandt. Europa mag jubeln, über Frankreich liegt eher nüchterne Erleichterung. Ein überwiegendes Ouf!

Gewonnen hat Emmanuel Macron, der Hoffnungsträger, oder Macron, das geringere Übel. Le Pen, die Rächerin des Volkes, hat verloren. Oder Le Pen, der Volksfeind. Je nach Sichtweise.

Unstrittig ist: Macron wird der jüngste und unerfahrenste Präsident der fünften Republik. Auf seinem Weg in den Elysée hat er Frankreichs eingespielte Politik umgepflügt. Durch Taktieren, vor allem aber durch kluges Positionieren.

Er hat die Sozialistische Partei zerbrochen; er hat die Konservativen zerrieben; er hat die Zentristen geschluckt. Als wohl Erster weltweit hat er Rechts-links-Schisma nicht nur nominell überwunden – seine Bewegung En Marche wirbt mit ni droite, ni gauche, weder links noch rechts –, sondern auch personell. In ihr finden sich Kommunisten, Grüne, Linke, Rechte – und sehr viele Nichtpolitiker.

Auch programmatisch setzte er sich über die traditionelle Spaltung hinweg. Von rechts nahm er Sicherheits-, Fiskal- und Migrationspolitik. Also mehr Überwachung, Einsparungen in den Kommunen, Reduzierung der Flüchtlingszahlen in Frankreich und Europa. Von links lieh er sich Steuer-, Energie- und Sozialpolitik. Also Abschaffung der Wohnraumsteuer, Ausbau von erneuerbaren Energien, Ausweitung der Arbeitslosenversicherung.

Macron steht für das offene Frankreich

Macron brach rechts und links auf. An ihrer fragilsten Stelle: der zwischen offen und geschlossen. Ob rechts oder links, die Globalisierungsbefürworter gingen zu Macron, ebenso die Europäer und Freihandelsanhänger. Die Protektionisten und Nationalisten verteilten sich, rechts und links, auf Marine Le Pen, Nicolas Dupont-Aignan, François Asselineau; Jean-Luc Mélenchon, Benoît Hamon, Nathalie Arthaud. Einzige Gemeinsamkeit: Sie sind Vertreter des geschlossenen Frankreichs.

Macron steht für das offene Frankreich. Aber er ist damit in der Minderheit. Für einen Präsidenten eine denkbar schlechte Position.

Mehr als 50 Prozent der Franzosen haben im ersten Wahlgang eine protektionistische Wirtschaftspolitik gewählt. Und deutlich mehr als 50 Prozent haben national-souveränistische Politiker gewählt. Macron, der Europatriot und Deregulierer, bekam für sein Programm nur 23 Prozent der Stimmen. Dass er im zweiten Wahlgang gesiegt hat, liegt nicht an ihm, sondern an seiner Gegnerin.