Wer erinnert sich noch an die Ceta-Blamage des Vorjahres? Die EU hatte über Jahre mit Kanada ein Freihandels- und Investitionsschutzabkommen ausgehandelt. Als der Abschluss nahte, wuchs der Widerstand in mehreren Parteien und Ländern. SPD und SPÖ forderten Zugeständnisse, danach legte sich Wallonien quer. Die belgische Provinz schaffte es, dass ein längst finalisiertes Abkommen knapp vor dem Aus stand. Das kann man Demokratie nennen – oder auch Kleinstaaterei.

Grund für das Vetorecht bei Ceta war der Plan, den Pakt als gemischtes Abkommen zu verabschieden, bei dem die nationalen Parlamente zustimmen müssen. In Belgien ist dafür auch noch der Sanktus der Regionen notwendig. Kommissionschef Jean-Claude Juncker wollte Ceta eigentlich als reines EU-Abkommen durchbringen, gab aber dem Druck einiger Regierungschefs nach. Um für derartige Fragen in Zukunft Gewissheit zu haben, wurde ein ähnlicher Freihandelspakt mit Singapur dem Europäischen Gerichtshof zur Begutachtung vorgelegt. Der kam nun zum Ergebnis, dass für bestimmte Teile des Vertrags mit dem Stadtstaat eine Ratifizierung in den EU-Mitgliedsländern erforderlich ist.

Ein herber Rückschlag für die Union. In Zukunft ist bei jedem Abkommen mit Widerstand zu rechnen, wenn die Gegner nur laut genug schreien oder einzelne Staaten ihr Vetorecht für Kuhhandel missbrauchen. Die Handlungsfähigkeit wird dadurch massiv eingeschränkt, die Verhandlung bilateraler Verträge erschwert.

Das wirft einen weiteren Schatten auf den Brexit, der ja durch ein Handelsabkommen mit der EU abgefedert werden soll. Für einen solchen Pakt mit London steht Brüssel nun geschwächt da. Die derzeitige Einigkeit gegenüber Großbritannien dürfte schnell zerbröseln, wenn es um konkrete Zugeständnisse geht. Europa kann sich keine weitere Lähmung im geopolitischen Auftritt leisten. (Andreas Schnauder, 16.5.2017)