Lackmustest – für oder gegen Europa

Donald "Trump first" hat Frau Merkel zu einer Ansage gebracht: Europa muss für seine Sicherheit sorgen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Einen rüpelhaften Milliardär, der seine Schwäche hinter groben Sprüchen verbirgt, musste Angela Merkel schon einmal ertragen. Wer redet heute noch von Silvio Berlusconi? Mit Donald Trump ist es anders. Er hat seine Verachtung gegenüber den Partnern in Europa so deutlich gemacht, dass wir nicht einfach auf seine baldige Absetzung wegen Zusammenarbeit mit den Russen und Korruption im Amt hoffen können. Selbst in diesem Fall wird sich das atlantische Bündnis verändern. Wenn Trump für nichts anderes gut war, dann dafür, Klarheit in Europa zu schaffen: Die Nachkriegszeit ist zu Ende, auf die USA kann sich Europa im Zweifel nicht mehr verlassen, der Kontinent wird seine Wirtschaftskraft auch politisch und militärisch einsetzen oder jede Bedeutung verlieren. Die deutsche Kanzlerin hat das vorsichtiger, aber für ihre Verhältnisse doch deutlich ausgedrückt: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sind endgültig vorbei." Dieser Satz ist in Bayern in einem Bierzelt gefallen. Wer aber glaubt, das sei schlichte Rhetorik einer Frau, die im Wahlkampf ein Thema braucht, der irrt. Die deutsche Kanzlerin ist eben kein Emotions-Bündel, sie ist eine kluge Strategin. Man kann davon ausgehen, dass sie schon vor den Treffen mit Donald "Trump first" darauf eingestellt war, Europa neu zu positionieren, weit über den Wahltag am 24. September hinaus planend.

Die Analyse ist also klar, jetzt geht es um die wesentlichen Konsequenzen. Mit dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) im Jahr 1954 durch das französische Parlament ist der Einigungsprozess schon früh stecken geblieben. Seit dem Beitritt der Bundesrepublik zur NATO im Jahr darauf war das dann kein großes Thema mehr. Wenn die USA jetzt die NATO vernachlässigen, werden vor allem die osteuropäischen Staaten an einer militärischen Zusammenarbeit interessiert sein. Sie kennen ihren Nachbarn im Osten und ihre Geschichte – Russland war nicht immer friedlich. Das könnte Länder, die sonst gerne die Vorteile der EU beanspruchen ohne Verpflichtungen eingehen zu wollen, näher an das gemeinsame Europa binden.

Europa im österreichischen Wahlkampf

Wirtschaftlich sind wir Europäer im Binnenmarkt aufeinander angewiesen. Erst recht, seit Handelskonflikte ebenso wie Streitigkeiten um Klimaziele mit den USA programmiert sind. Trump wird wahrscheinlich noch diese Woche das Pariser Abkommen kündigen.

Merkels klare Ansage wird auch Auswirkungen auf unseren Wahlkampf haben. Was ist denn unsere Rolle in der EU und einer künftigen Verteidigungsgemeinschaft? Beteiligen wir uns militärisch? Sind SPÖ und ÖVP noch Europaparteien, und was heißt das eigentlich? Will die FPÖ weiter eine EU-Abstimmung? "Ja, selbstverständlich bin ich dafür, die Österreicher über einen EU-Austritt zu befragen, sagte Strache im Mai 2014 zum KURIER. Welche Partei wird mit dieser FPÖ koalieren? Fragen über Fragen, da werden die üblichen Floskeln nicht reichen, die Wähler warten auf umfangreiche Antworten.

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