Kommentar

Nichts ist mehr vertraulich

Die Nachricht, der Sonderermittler habe nun den Präsidenten selbst ins Visier genommen, ist das jüngste Beispiel eklatanter Lecks in Washington. Die damit verfolgten Ziele sind undurchsichtig.

Marie-Astrid Langer
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Kaum ein Tag vergeht noch, ohne dass Skandale und Pseudoskandälchen um Trump an die Medien durchsickern. (Bild: Olivier Douliery / Keystone)

Kaum ein Tag vergeht noch, ohne dass Skandale und Pseudoskandälchen um Trump an die Medien durchsickern. (Bild: Olivier Douliery / Keystone)

Just an seinem 71. Geburtstag konnte Donald Trump in den Schlagzeilen lesen, dass er nun persönlich im Fokus der Untersuchungen des Sonderermittlers Robert Mueller steht – und zwar nicht wegen dessen ursprünglicher Untersuchung – etwaige Verbindungen zu Russland –, sondern nun wegen möglicher Justizbehinderung. Auch wenn noch völlig offen ist, was Mueller letztlich herausfindet, stellt die Nachricht für den Präsidenten eine Hiobsbotschaft dar: Genau dieser Vorwurf führte schliesslich bei Bill Clinton zum Impeachment.

Besorgniserregend ist jedoch nicht nur, dass das amerikanische Staatsoberhaupt versucht haben könnte, Ermittlungen zu beeinflussen. Auch die kontinuierlichen Leaks aus Washington lassen einen nur noch den Kopf schütteln. Ob aus dem Weissen Haus, Justizkreisen oder den Reihen der Opposition – kaum ein Tag vergeht noch, ohne dass Skandale und Pseudoskandälchen um Trump an die Medien durchsickern. In den Augen der Öffentlichkeit mögen diese konstanten Breaking News unterhaltsam sein, doch das Oval Office ist kein Reality-Fernsehen und keine Netflix-Serie. Spätestens wenn es um die Arbeit eines Sonderermittlers geht, muss Vertrauliches auch als solches behandelt werden – sonst kann dieser nicht ungestört und abschliessend untersuchen, ob es nun Absprachen zwischen Trumps Team und Russland gegeben hat und ob der Präsident tatsächlich die Justiz beeinflussen wollte. Die Antworten darauf wird die Öffentlichkeit auch ohne Leaks früher oder später erfahren.

Mit wem auch immer der Sonderermittler das Gespräch suchen wird – die Person muss damit rechnen, am nächsten Tag auf einer Titelseite aufzutauchen, so wie am Mittwoch die Geheimdienstchefs Rogers und Coats.

Mit Leaks konfrontiert, müssen sich Journalisten auch immer fragen, vor wessen Karren sie gerade gespannt werden sollen. So hatte der geschasste FBI-Chef jüngst zugegeben, dass er Informationen der «New York Times» zugespielt hatte mit dem Ziel, dass dies letztlich einen Sonderermittler auf den Plan rufen würde. Sein Schachzug ist bekanntlich aufgegangen. Ebenso könnte man sich fragen, ob die nun publik gewordene Information, dass gegen Trumps Person ermittelt wird, dem Präsidenten schaden soll – oder eher dem Sonderermittler. Auch könnte die mit Leaks immer wieder provozierte Aufmerksamkeit darauf abzielen, von anderem abzulenken.

Gleichzeitig würde Trump sich auch weniger Feinde machen, wenn er aufhören würde, die Ermittlungen ständig öffentlich zu diffamieren. Vielleicht ereilt ihn im 72. Lebensjahr die Erkenntnis, dass auch er zu den Russland-Ermittlungen am besten schweigen sollte.