Der Rücktritt von Christiane Taubira ist keine Überraschung. Man kann nicht das Justizwesen leiten und zugleich die Anti-Terror-Verfassungsreform bekämpfen, die Frankreichs Präsident verlangt. François Hollande dürfte fürs Erste erleichtert sein, seine widerspenstige Justizministerin los zu sein. Gut möglich, dass er sie selbst zum Rücktritt bewogen hat. Schließlich fährt der sozialistische Staatschef seit Monaten im Hinblick auf die Präsidentenwahl 2017 einen Rechtskurs. Dazu gehört eine unternehmensfreundliche Wirtschaftspolitik, aber auch ein hartes Auftreten in der Terrorbekämpfung.

Der neue Kurs birgt für Hollande aber auch langfristig Gefahr: Taubira sicherte seine soziale, "moralische" Flanke ab, sie war in gewissem Sinne sein linkes Gewissen. Ihre Demission beraubt den Staatspräsidenten einer wichtigen Rückendeckung in seinem eigenen Lager.

Längst ist nicht mehr sicher, dass 2017 alle Sozialisten geschlossen für den "Rechtsabweichler" Hollande stimmen werden. Ihm droht damit schon im ersten Durchgang das gleiche Desaster wie seinem Parteifreund Lionel Jospin 2002: Das Rennen machten dann der Konservative Jacques Chirac und der Rechtsaußen Jean-Marie Le Pen unter sich aus. Hollande, damals Parteisekretär der Sozialisten, sollte das nicht vergessen haben. Indem er aber Taubira opfert, geht er ein beträchtliches Risiko ein. Eben das Risiko, links zu verlieren, ohne rechts zu gewinnen. (Stefan Brändle, 27.1.2016)