Kommentar

Ein pragmatischer Kuhhandel

Premierministerin Theresa May hatte keine Alternativen. Sie wird mit Unterstützung der nordirischen Democratic Unionist Party (DUP) mit einer Minderheitsregierung weiterregieren.

Beat Bumbacher
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Arlene Foster ist die Parteichefin der DUP. (Bild: Will Oliver / Keystone)

Arlene Foster ist die Parteichefin der DUP. (Bild: Will Oliver / Keystone)

Leicht dürfte es Premierministerin Theresa May nicht gefallen sein. Aber ein solcher Kuhhandel war die einzige Möglichkeit für die britische Regierungschefin, nach dem Desaster der Unterhauswahlen und dem Verlust ihrer parlamentarischen Mehrheit weiterzuregieren. Die Rettung besteht darin, dass die 10 Abgeordneten der nordirischen Unionisten (DUP) Mays Minderheitsregierung bis auf weiteres unterstützen werden.

Diese zierten sich aber zunächst noch und lassen sich den Deal nun mit üppigen Geldzahlungen entgelten: Die Nordiren bekommen eine Finanzspritze in Höhe von rund einer Milliarde Pfund. Das Geld soll in die Wirtschaft und die Infrastruktur fliessen. Nordirland ist aber ohnehin schon traditionell Subventionsempfänger im Rahmen des innerbritischen Finanzausgleichs. Nun darf man sich dort auf noch mehr Mittel aus London freuen. Dies dürfte aber in den übrigen britischen Regionen Begehrlichkeiten wecken und dem Schatzkanzler deshalb noch Kopfschmerzen bereiten.

Die DUP als Partei der nordirischen Protestanten ist in mancherlei Hinsicht eine Partei, die sektiererische Züge aufweist. Deren Ansichten etwa zu Homosexualität und Abtreibung sind in England nicht mehrheitsfähig. Solches mag für May zwar unerfreulich sein, doch die Umstände zwingen sie zur Realpolitik. Denn über Alternativen verfügte sie keine; nochmalige Neuwahlen scheut sie aus guten Gründen, und eine grosse Koalition mit Labour ist schlicht undenkbar.

Wenigstens teilt die DUP mit den Tories das zentrale Ziel eines Verbleibs Nordirlands im Vereinigten Königreich. Und gerade was den EU-Austritt betrifft, befürworten die Unionisten ebenfalls einen harten Brexit, während sie die EU-Aussengrenze zur Republik Irland aber gleichzeitig wie die Regierung May möglichst durchlässig halten wollen. Abzuwarten gilt sodann, ob die Vereinbarung von Tories und DUP den Friedensprozess in der früheren Unruheprovinz gefährden könnte. Einen Rückfall in die üblen alten Zeiten scheinen alle Beteiligten bis anhin vermeiden zu wollen. Doch vor einem halben Jahr war die nordirische Regierungskoalition von DUP und katholisch-republikanischer Sinn Fein zerbrochen. Bis Donnerstag läuft noch eine Frist zur Einigung, andernfalls wird Nordirland unter die Direktverwaltung Londons fallen. Um die neutrale Rolle Londons zu wahren, soll die DUP aber laut Vereinbarung auf diese nicht Einfluss nehmen können.

Die Übereinkunft Mays mit den Nordiren ist kein eigentliches Koalitionsabkommen, sondern «nur» eines über die Duldung der Regierung im Unterhaus. Echte Koalitionen – wie diejenige zwischen Konservativen und Liberaldemokraten in der ersten Regierung Cameron – bleiben in der britischen Politik eine grosse Ausnahme. Dass eine konservative Regierung von nordirischen Unionisten gestützt wird, ist ausserdem keine Premiere. Schon in den neunziger Jahren sicherte sich Premierminister John Major eine solche Unterstützung, nachdem seine parlamentarische Mehrheit durch Parteiaustritte und Nachwahlen geschrumpft war. Genützt hat es ihm nur kurz. Schon im Jahr darauf verlor er die nächsten Unterhauswahlen.