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Republik des Rächers

Der Mensch ist, was er sagt. Zum Jahrestag des Umsturzversuchs in der Türkei hat Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wie ein Möchtegern-Diktator gesprochen, gebrüllt und gedroht. Er liess sich von seinen Anhängern als «Held der Putschnacht» feiern und versprach, den Verrätern den Kopf abzureissen. Seine Lakaien überboten sich mit drastischen Formulierungen. Der Parlamentspräsident würde den Kritikern am liebsten die Zunge abschneiden. Die Unterstützer des Laienpredigers und angeblichen Putschplaners Fe­thul­lah Gülen sollen wie Kanalratten krepieren, denn sie seien eine Kreuzung aus Teufeln und Zionisten, behaupten blinde Parteigänger der regierenden AKP.

Die Wortwahl zeigt, dass Erdogan eine neue Türkei anstrebt – inklusive Todesstrafe.

Die Wortwahl zeigt, dass Erdogan eine neue Türkei anstrebt – inklusive Todesstrafe. Den Putschversuch nutzt der Rächer, um einen neuen nationalen Gründungsmythos zu schaffen. Auf den Trümmern der prowestlichen Republik, die von Mustafa Kemal Atatürk gegründet wurde, soll eine stockkonservative, islamistische und chauvinistische Türkei entstehen. Die Weichen dafür sind gestellt: Die Evolutionslehre ist nichts für die türkische Jugend, dafür bekommen die Schulen eigene Gebetsräume, Polizisten und Soldaten sollen religiöse Eidesformeln rezitieren, kritische Geister werden mundtot gemacht. Die Repressionswelle richtet sich längst nicht nur gegen Mitglieder der Gülen-Bewegung, sondern auch gegen säkulare Türken, Kurden, Linke, Liberale. Seit dem Putschversuch haben über 30 Menschen Selbstmord begangen, weil das Regime sie unter fadenscheinigen Gründen aus dem Staatsdienst entlassen und damit ihre Existenz vernichtet hat.

Ein Klima der Angst und der Denunziation lähmt das Land.

Vor einem Jahr haben viele Türken todesmutig ihre Demokratie gegen die Putschisten verteidigt. Seither hat Erdogan fast alles unternommen, um die Demokratie zu begraben. Ein Klima der Angst und der Denunziation lähmt das Land. Als oberster Gefängniswärter der Türkei sucht Erdogan die Konfrontation auch mit dem Westen. Die Europäer sollen ihm diesen Wunsch nicht erfüllen. Schon aus geopolitischen Gründen gilt es, im Gespräch zu bleiben – und die andere Hälfte der Türkei zu unterstützen, die Erdogans Allmachtsfantasien ablehnt.