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An der Kreuzung zur neuen automobilen Welt

Die Politik ist gut beraten, die Autoindustrie nicht zu verdammen, sondern auf dem Weg in die automobile Zukunft zu begleiten.

Richard Wiens

Wer sich früher einen Diesel kaufte, galt als umweltbewusst, weil er ein Auto fuhr, das deutlich weniger Treibstoff verbrauchte. Zum Benziner griff, wer ein "spritzigeres" Fahrzeug wollte, um den Schadstoffausstoß scherte sich kaum jemand. Das änderte sich mit der Debatte über das klimaschädliche Treibhausgas Kohlendioxid grundlegend, aber selbst da war man mit dem Dieselmotor noch fein raus, weil er um 15 Prozent weniger CO2 ausstößt als der Benziner.

Doch längst geht es auch um Stickoxide, um Feinstaub und bodennahes Ozon, und mit einem Schlag gilt der Dieselantrieb als Teufelszeug, dem die Exorzisten in der Politik den Garaus machen wollen. Viele Politiker übertrumpfen einander mit der Ansage, wie rasch man Verbrennungsmotoren aus der Welt schaffen will. Dass sich solche Verkaufsverbote in Ländern locker aussprechen lassen, die über keine oder keine nennenswerte Autoindustrie verfügen, liegt auf der Hand. Und was die Ansage eines Politikers wert ist, die in fünf bis sechs Legislaturperioden Realität werden soll, kann jeder für sich entscheiden. Dessen ungeachtet müssen bei den Autoherstellern die Alarmglocken schrillen, denn es geht um ihr Überleben.

Geschönte Abgaswerte, geschönte Prüfberichte - die glänzende Scheinwelt der Autoindustrie ist binnen weniger Monate in sich zusammengebrochen.

Die zukünftige automobile Welt wird eine ganz andere sein. Auf dem Weg dorthin ist der heutige Diesel-Gipfel, bei dem Deutschlands Politik den Kotau der versammelten Automobilhersteller fordert, nur ein erster Schritt. Es geht darum, Kunden zu entschädigen, denen man unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Autos verkauft hat, die sie womöglich bald nicht mehr fahren dürfen. Daher muss sich die Industrie beim Um- und Nachrüsten großzügig zeigen.

Mittel- und langfristig geht es um den unvermeidlichen Umstieg auf Autos, deren Kraft aus der Batterie kommt. Das wird nicht einfach, aber man darf auf die Kunst der Ingenieure hoffen. Die Politik muss dabei mithelfen und ihre Strategie ändern, soll der Umstieg auf die E-Mobilität kein Lippenbekenntnis bleiben. Es muss Schluss sein mit offenen und versteckten Förderungen für alles, wo Kraftstoff verbrannt wird, mit Prämien fürs Abwracken und Umsteigen. Statt mit Steuergeld das Kaufverhalten des Einzelnen zu lenken, soll die Politik öffentliche Mittel in Infrastruktur stecken. Den Wunsch, mobil zu sein, wird man Menschen nicht austreiben. Aber um ihn erfüllbar zu machen, ohne dass die Welt zum Treibhaus wird, müssen alle umdenken - und umlenken.

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