Kommentar

Die Fehler der Natur korrigieren

Der rasante Fortschritt in der Entwicklung von Gentherapien lässt die Angst vor Designer-Babys aufflackern. Doch das ist kein Grund, die Forschung zu verdammen, denn diese hat ein anderes Ziel.

Lena Stallmach
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Bei den derzeitigen Forschungsbemühungen in der Gentherapie geht es nicht um die Optimierung des Menschen. (Bild: Gaetan Bally / Keystone)

Bei den derzeitigen Forschungsbemühungen in der Gentherapie geht es nicht um die Optimierung des Menschen. (Bild: Gaetan Bally / Keystone)

Die Gentherapie soll es eines Tages ermöglichen, dass wir die Fehler der Natur nicht mehr ausbaden müssen. Denn um das handelt es sich bei Erbkrankheiten – es sind Fehler, die irgendwann beim Kopieren des Erbguts entstanden sind. Manche Fehler sind nicht so gravierend oder gar positiv, andere führen zu schweren Krankheiten, Behinderungen und/oder einem frühen Tod des Betroffenen.

Keimbahntherapien zielen darauf ab, solche Gendefekte frühestmöglich in einer befruchteten Eizelle zu reparieren. Eine neue Studie zeigt nun, dass die biologischen Hürden womöglich weniger hoch sind als bis anhin gedacht. So haben Forscher in den USA einen Gendefekt bei menschlichen Embryonen mit einer relativ hohen Erfolgsrate korrigiert. Nach wenigen Tagen zerstörten sie die Embryonen für weitere Untersuchungen. Denn es wäre unverantwortlich, sie einer Frau einzusetzen, bevor die Risiken des genetischen Eingriffs umfassend erforscht sind. Bis zu einer klinischen Anwendung ist es noch ein weiter Weg.

Jedoch demonstrierten die Forscher grosse Fortschritte im Vergleich zu den ersten Versuchen in China von vor zwei Jahren. Dort gelang die Reparatur nur in wenigen Fällen. Zudem führte jeder Versuch jeweils zu neuen Fehlern im Erbgut. In der neuen Arbeit kam es dagegen zu keinen fehlerhaften Veränderungen am Erbgut, zumindest konnten die Forscher keine finden. Das zeigt, dass sich die Technik innerhalb von nur zwei Jahren erheblich verbessert hat. Das ist ein grosser Erfolg.

Der rasante Fortschritt lässt aber auch die schwelende Angst vor «Designer-Babys» und vor einer Gesellschaft mit optimierten Menschen erneut aufflackern. Denn jeder technische Fortschritt im Bereich der Gentherapie rückt auch die Machbarkeit von ästhetischen oder funktionellen Verbesserungen des Menschen näher – auch wenn dies um Dimensionen schwieriger sein dürfte. Denn anders als die Erbkrankheiten mit nur einem einzigen defekten Gen, die Forscher derzeit im Visier haben, spielen bei den meisten ästhetischen Eigenschaften und bei körperlichen oder geistigen Begabungen viele verschiedene Gene eine Rolle. Man müsste also an sehr vielen Rädchen drehen, um eine gewünschte Veränderung zu erzielen.

Doch bei den derzeitigen Forschungsbemühungen geht es nicht um die Optimierung des Menschen, sondern darum, Krankheiten zu heilen und Leid zu verhindern. Aus Angst vor dem Potenzial der Technik die ganze Forschung zu verteufeln, wäre ähnlich unangebracht, wie das Internet zu verdammen, weil darüber Unwahrheiten verbreitet oder Terrorakte geplant werden können. Mit jeder technischen Errungenschaft kann man grossen Nutzen, aber auch grossen Schaden anrichten.

Deshalb ist es wichtig, die Risiken im Auge zu behalten und gemeinsam zu definieren, unter welchen Bedingungen ein Eingriff ins Erbgut gerechtfertigt ist, aber auch, wann man das Experiment überhaupt wagen darf, einen genveränderten Embryo in eine Frau einzusetzen. Immerhin spielt man mit dem Erbgut eines Menschen. Man muss sich schon sehr sicher sein, dass man alles getan hat, um eventuelle Nebenwirkungen auszuschliessen.