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Die NGOs sind der falsche Gegner

Solange Schlepper Fahrten nach Europa anbieten, werden Verzweifelte sich auf den Weg machen. Egal ob Retter bereitstehen.

Stephanie Pack-Homolka

Fast alle Hilfsorganisationen stoppen ihre Rettungsmissionen im Mittelmeer. Der "NGO-Wahnsinn", wie Außenminister Sebastian Kurz deren Einsätze nennt, wird vorerst beendet. Aber werden sich jetzt weniger Menschen auf den Weg in die EU machen?

Ja, wenn es nach der Logik derer geht, die in den vergangenen Wochen und Monaten die Hilfsorganisationen zum Hauptschuldigen für die Ankunft von Flüchtlingen in Italien erklärt haben. Die Rettungs aktionen setzten einen Anreiz, dass sich Menschen auf den Weg machten. Schließlich bedeute die Rettung automatisch ein "Ticket nach Europa".

Welchen Einfluss die NGO-Einsätze tatsächlich auf die Fluchtbewegungen haben, lässt sich nicht eindeutig nachweisen. Sicher beeinflussen sie die Taktik der Schlepper, die mit steigender Präsenz der Rettungsschiffe immer weniger seetüchtige Boote ins Meer lassen. Das ausschlaggebende Element für eine Flucht sind die Rettungen aber nicht. Das unterstreichen Beobachtungen von anderen Fluchtrouten.

Drastischstes Beispiel ist Ostafrika, wo Menschen in das Bürgerkriegsland Jemen fliehen. In ein Land, in dem Hunderttausende an Cholera erkrankt sind und wo seit Jahren blutige Auseinandersetzungen toben. Die Flüchtlinge begeben sich in die Hände von Schleppern, die fallweise Menschen über Bord werfen, damit sie ihre Boote vor Patrouillen retten und die nächste gewinnbringende Fuhre an Verzweifelten möglichst schnell aufnehmen können. Für die Flüchtlinge dort gibt es keine Garantie, ja nicht einmal die Hoffnung, im Notfall gerettet zu werden. Trotzdem machen sie sich auf den Weg.

Die NGOs im Mittelmeer warnen nun, sie hinterließen eine "tödliche Lücke". Wenn sie nicht vor der libyschen Küste unterwegs seien, müssten mehr Menschen ertrinken, prophezeien sie.

Wer in Libyen gestrandet ist, wird weiter versuchen, nach Europa zu kommen, solange es irgendeine Möglichkeit dazu gibt. Und die Schlepper sind erfahrungsgemäß findig, wenn es um das Anbieten von neuen Möglichkeiten geht. Sie zu bekämpfen ist die einzig nachhaltige Lösung, um die tödlichen Überfahrten zu stoppen. Das zeigte sich auch am Westbalkan: Es war der leidige Deal mit der Türkei, der letztlich für weniger Ankünfte auf den griechischen Inseln gesorgt hat. Was die Türken getan haben? Sie haben die Schlepper bekämpft. Unter anderem, indem sie Zufahrtswege zu den Küsten streng kontrolliert haben. Aber schon das könnte im chaotischen Libyen zu einer Mammutaufgabe werden.

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