In Berlin
war in den vergangenen Jahren eine immer wiederkehrende Klage zu hören: Man
wolle ja vorankommen mit Europa. Aber solange in Paris ein François Hollande regiert, könne man nicht viel machen.
Durchwursteln, den Laden irgendwie zusammenhalten, und hoffen,
dass bald ein starker Präsident Frankreich regiert. Erst dann könne
der deutsch-französische Motor wieder anspringen. Erst dann werde Europa die
Kraft zu grundlegenden Reformen haben.
Freilich war Frankreichs
Schwäche für die Regierung Angel Merkels stets auch eine
Möglichkeit, die eigene europapolitische Fantasielosigkeit zu verbergen. Nun hat
Frankreich mit Emmanuel Macron einen starken Präsident, der Europa ins
Zentrum seiner Politik stellt. Und Deutschland hat eine geschwächte
Kanzlerin.
Sie muss nach der Bundestagswahl dramatische Stimmverluste verdauen,
sie wird ziemlich komplizierte Koalitionsverhandlungen mit der FDP und
den Grünen führen, und sie wird eine Antwort auf den Einzug der AfD in
den Bundestag finden müssen. Das wird erhebliche Energien binden. Viel
Gestaltungskraft für Europa wird da nicht übrig
bleiben. Aus Brüsseler Perspektive kann man daher etwas zugespitzt
formulieren: Angela Merkel ist der neue François Hollande.
Frankreichs
Emmanuel Macron wird das mit stillem Entsetzen registriert haben – denn
er braucht starke, stabile Partner in Berlin, um seine Pläne für Europa
umzusetzen.
In seiner mit Spannung
erwarteten europapolitischen Grundsatzrede an der Pariser Universität Sorbonne sagte er Angela Merkel seine
ausdrückliche Unterstützung zu. Sie sei eine überzeuge Europäerin
und werde die Herausforderungen "ohne Zaghaftigkeit" angehen. Davon sei
er überzeugt. Auch wenn der Berliner Teil des deutsch-französischen
Motors ins Stottern geraten ist. Macron gab sich zuversichtlich.
Ohne Reformen kommt die nächste Krise bestimmt
Er tut damit etwas, was der Kanzlerin noch nie gefallen hat. Er drängt und
drängt. Er hat es eilig. Er spielt nicht gerne auf Zeit. In seiner Rede
an der Sorbonne zündete er ein Feuerwerk von
Ideen. Wie erwartet schlug er ein Eurobudget, einen Eurofinanzminister und ein Parlament für die Eurozone vor. In Berlin sind solche Ideen
bisher mit großer Skepsis aufgenommen worden. Man fürchtet, dass
Frankreich am Ende doch nur eine Transferunion wolle.
In Deutschland wären Macrons Ideen politisch nur schwer durchzusetzen. Die FPD,
Merkels wahrscheinliche Koalitionspartnerin, hat gegen ein Eurobudget
schon mal Widerstand angekündigt. Nicht mit uns. Außerdem sitzt
mit der AfD jetzt eine Partei im Bundestag, die den
Euro gänzlich ablehnt. Sie wird Widerstand leisten, wo sie nur kann.
Trotzdem sollte die künftige Bundesregierung auf Macrons Vorschläge eingehen.
Das
strikte Beharren Deutschlands auf Haushaltsdisziplin war in den
vergangenen Jahren sinnvoll. Inzwischen aber geht es der Eurozone
besser. Irland, Portugal, Spanien haben die Krise überwunden,
Griechenland ist auf dem Weg.
Die Zeit für eine Reform der Eurozone ist günstig.
Es wäre
ein Zeichen von Kleinmut, sich nicht auf Reformen einzulassen – und es
wäre gefährlich. Ohne Reformen kommt die nächste Krise bestimmt. Die
Bundestagswahlen haben deutlich gemacht, dass der Populismus alles
andere als geschlagen ist, in keinem europäischen Land. Keine
europäische Regierung darf sich in dieser Situation von Angst
leiten lassen. Denn auf Angst verstehen sich die Extremisten besser.
Natürlich
wird man darüber streiten müssen, wie ein Eurobudget ausgestattet werden
soll, welche Kompetenzen ein Eurofinanzminister haben sollte und wie
ein Eurozonenparlament zusammengesetzt sein
sollte. Es bleibt auch richtig, dass die Probleme des Euro zuallererst in
den Nationalstaaten gelöst werden müssen. Solange zum Beispiel die italienische Regierung ihren Haushalt nicht konsolidiert, wird auch ein
neuer Überbau für die Eurozone nicht viel helfen.
Es besteht auch die Gefahr, das reformunwillige europäische Regierungen
es sich in der von Macron vorgeschlagenen ausgebauten Eurozone gut
einrichten könnten. Doch im Kern geht es jetzt darum, einer Reform zuzustimmen.
Die Europäer wollen ein Europa, das sie schützt. Europa kann die Europäer nur schützen, wenn es souverän ist. Wer souverän sein will, der braucht ein eigenes Budget. Das ist Macrons Grundgedanke. Die neue Bundesregierung sollte ihn annehmen.
In Berlin
war in den vergangenen Jahren eine immer wiederkehrende Klage zu hören: Man
wolle ja vorankommen mit Europa. Aber solange in Paris ein François Hollande regiert, könne man nicht viel machen.
Durchwursteln, den Laden irgendwie zusammenhalten, und hoffen,
dass bald ein starker Präsident Frankreich regiert. Erst dann könne
der deutsch-französische Motor wieder anspringen. Erst dann werde Europa die
Kraft zu grundlegenden Reformen haben.
Freilich war Frankreichs
Schwäche für die Regierung Angel Merkels stets auch eine
Möglichkeit, die eigene europapolitische Fantasielosigkeit zu verbergen. Nun hat
Frankreich mit Emmanuel Macron einen starken Präsident, der Europa ins
Zentrum seiner Politik stellt. Und Deutschland hat eine geschwächte
Kanzlerin.