Kommentar

Die Verteufelung des «Paradieses» ist allzu durchsichtig

Wie so vieles können auch Offshore-Geschäfte für kriminelle oder fragwürdige Geschäfte missbraucht werden. Sie gehören aber zu einer globalen Wirtschaft. Manchmal sind sie Ausdruck von Missständen, kaum je deren Ursache.

Peter A. Fischer
Drucken
Paradiesischer Strand am Southampton Parish auf Bermuda. (Bild: CJ Gunther / EPA)

Paradiesischer Strand am Southampton Parish auf Bermuda. (Bild: CJ Gunther / EPA)

Von Panama aus geht es nun also gleich ins Paradies. Derselbe Kreis von Medienschaffenden, die sich im eher undurchsichtigen «Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten» versammelt haben, das die Panama Papers lancierte, inszeniert nun mit betontem Aufklärungseifer das «Paradies-Leak». Vor gut einem Jahr waren es 11,5 Millionen Dokumente, die der in Panama domizilierten, auf Offshore-Geschäfte spezialisierten Anwaltskanzlei Mossack Fonseca entwendet worden waren. Die neuen Enthüllungen basieren nun auf 13,4 Millionen Dokumenten, die offenbar der auf paradiesischen Offshore-Inseln aktiven Anwaltskanzlei Appleby gestohlen wurden und aus zwanzig weiteren Quellen stammen. Die Botschaft hinter der im deutschsprachigen Raum von der «Süddeutschen Zeitung» und dem «Tages-Anzeiger» angeführten Kampagne ist eindeutig: Offshore-Geschäfte sind schmutzig und dienen der Geldwäscherei, Korruption und illegitimer Steuerhinterziehung.

Missbrauch ist zu bekämpfen

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Offshore-Konstrukte können tatsächlich zur Verschleierung von Transaktionen und von Eigentumsverhältnissen im Zusammenhang mit Geldwäscherei und Korruption missbraucht werden. Dies sollte nicht zu einfach sein. Wenn die Verwaltung der Gelder eines afrikanischen Staatsfonds aus der Schweiz heraus angeblich unter anderem dazu genutzt wurde, um Mitglieder der politischen Elite dieses Staates über Gebühr zu begünstigen, dann wirft das Fragen nach der Legalität der Geschäfte auf. Darüber zu urteilen, ist nicht primär die Aufgabe von Journalisten, sondern der Anti-Korruptions- und Geldwäscherei-Behörden.

Wie in diesen Spalten bereits wiederholt festgehalten wurde, gilt es sich darauf einzustellen, dass auch Dinge, die traditionell in den Bereich der Geschäftsgeheimnisse gehören, ungewollt transparent werden und von der Öffentlichkeit als illegitim gewertet werden können, selbst wenn sie rein rechtlich legal sind. Wer Offshore-Konstrukte einsetzt, tut deshalb gut daran, sich dem «Journalisten-Test» zu stellen: «Kann ich vor einem Journalisten notfalls deren Sinn nachvollziehbar erklären und verteidigen?» Weil die meisten Firmen sich inzwischen diese Frage stellen und Reputationsrisiken ernst nehmen, hat der Einsatz von Offshore-Konstrukten in den letzten zehn Jahren deutlich abgenommen.

Häufig durchaus sinnvoll

Ob des ganzen Medienrummels sollte aber nicht in Vergessenheit geraten, dass fast jedes noch so sinnvolle Instrument missbraucht werden kann. Das heisst in den seltensten Fällen, dass dieses Instrument deswegen grundsätzlich schlecht ist. Indem die investigativen Journalisten einige Fälle vermuteten Missbrauchs publikumswirksam herauspicken, suchen sie allzu offensichtlich alle Offshore-Geschäfte zu verteufeln, obwohl diese in einer immer globaleren Welt nicht nur ihre Berechtigung haben, sondern oft sogar zwingend sind. Von den Millionen von Dokumenten, die vor Jahresfrist mit viel Medienrummel in den Panama Papers öffentlich gemacht wurden, ist bis heute kaum zufällig wenig übrig geblieben, was auf tatsächlichen kriminellen oder auch nur illegitimen Missbrauch schliessen liess.

Offshore-Transaktionen sind meistens entweder simpler Ausdruck der globalen Natur eines Geschäfts oder aber Resultat von tatsächlichen Unzulänglichkeiten und Missständen in den betroffenen Ländern. Weil es beispielsweise in der Schweiz unter der herrschenden Regulierung unattraktiv und kompliziert ist, Anleihen auszugeben, die sich primär an internationale Anleger richten, emittieren Schweizer Konzerne diese in der Regel anderswo.

Solange die prohibitiv scharfe Besteuerung von Unternehmensgewinnen in den USA Firmen davon abhält, Gewinne zu repatriieren, werden sie diese offshore halten. Weil es in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern nur mit sehr viel willkürlichem und teurem bürokratischem Aufwand möglich ist, an den Eigentums- und Finanzierungsverhältnissen von Firmen etwas zu ändern, werden diese sinnvollerweise meistens über eine offshore registrierte Muttergesellschaft gehalten. Wenn verschiedene Partner international zusammenarbeiten und Vorbehalte hinsichtlich der Rechtssicherheit in einem Land haben, dann sind Firmenkonstrukte, die Transaktionen über ein Überseegebiet britischen Rechts abwickeln, oft eine vernünftige Vorsichtsmassnahme. Und nicht nur an Orten, wo Erpressungen häufig vorkommen, ist der Schutz der Privatsphäre ein durchaus legitimes Interesse, das erst an Grenzen stossen sollte, wenn es für kriminelle Machenschaften missbraucht wird.

Problematischer Datendiebstahl

Der Diebstahl von Millionen von Daten zu privaten Angelegenheiten und Geschäftsgeheimnissen, die dann von Journalisten nach eigenem Gutdünken öffentlich ausgeschlachtet werden, ist denn auch alles andere als eine paradiesische Angelegenheit. Offshore-Geschäfte sind in einer globalen Welt manchmal notwendig und manchmal Ausdruck von Missständen, kaum je aber deren Ursache. Die Suche nach Schutz vor Rechtswillkür, überbordender Bürokratie, übermässiger Besteuerung oder auch nach Privatsphäre zu verteufeln, greift deshalb zu kurz. Den internationalen Steuerwettbewerb anhand einiger missbräuchlicher Beispiele generell als kriminell hinzustellen, ist fahrlässig. Da sollte man sich von den allzu durchsichtigen, bestenfalls blauäugigen Motiven der selbsternannten Transparenz-Apologeten nicht in die Irre führen lassen. Standortwettbewerb, Schutz der Privatsphäre und ja, auch Offshore-Transaktionen, braucht es weiterhin.