Kommentar

Die Autoindustrie hat die Forschung für ihre Interessen missbraucht

Wenn die deutsche Autoindustrie Studien an Affen und Menschen finanziert, ist Vorsicht geboten. Kritisch wird es aber erst, wenn die Forschungsfreiheit eingeschränkt ist.

Alan Niederer
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Aus dem Auspuff strömt ein Gemisch aus toxischen Substanzen und Feinstäuben. (Gaetan Bally / Keystone)

Aus dem Auspuff strömt ein Gemisch aus toxischen Substanzen und Feinstäuben. (Gaetan Bally / Keystone)

Die Negativschlagzeilen über die deutsche Automobilindustrie reissen nicht ab. Jüngst ist bekanntgeworden, dass die von Volkswagen, BMW, Daimler und Bosch gegründete Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) in Amerika Abgastests an Affen durchführen liess. Mit den Versuchen sollte offenbar bewiesen werden, dass die neuen Dieselfahrzeuge punkto Abgase gesünder sind als ältere Automodelle.

Was dabei besonders irritiert: Die Autoindustrie scheint nicht an sauberen wissenschaftlichen Daten interessiert gewesen zu sein, sondern hat die Forschung für ihre Marketinginteressen missbraucht. So hat die EUGT für die Versuche in dem beauftragten Institut ein Testfahrzeug bereitgestellt, das aufgrund von technischen Manipulationen besonders wenig Schadstoffe ausstiess. Das ist, als würde man einen Medikamententest mit einem Präparat ohne Wirkstoff durchführen, um zu beweisen, dass das Mittel keine Nebenwirkungen hat. Das nennt man wissenschaftlichen Betrug.

Ob die Affentests auch aus tierethischer Sicht verwerflich waren, lässt sich weniger einfach beurteilen. Dafür müsste man die genaue Fragestellung der Untersuchung und die Details des Experiments kennen. Denn Affenversuche sind in der Umwelttoxikologie ein etabliertes Mittel, um die akuten Auswirkungen von Schadstoffen zu messen. Dabei werden die Tiere auch Konzentrationen ausgesetzt, die über der Alltagsbelastung liegen. Die Resultate aus solchen Affenexperimenten sind eine wichtige Grundlage für die heutigen gesetzlichen Massnahmen zur Luftreinhaltung. Dass die deutsche Automobilindustrie für ihre Affenversuche in die USA ging, könnte darauf hindeuten, dass es in Deutschland schwierig bis unmöglich gewesen wäre, von einer Ethikkommission eine Erlaubnis für die Tests zu bekommen.

In die Kritik geraten ist die EUGT auch wegen einer gesponserten Studie an 25 menschlichen Probanden, die Forscher der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen durchgeführt haben. Im Gegensatz zu der Affenstudie hat die 2016 veröffentlichte Arbeit keine direkte Verbindung zum Dieselskandal. Denn dabei ging es darum, die gesundheitlichen Auswirkungen von typischen Stickstoffdioxid-Konzentrationen am Arbeitsplatz zu untersuchen. Zudem gilt die Durchführung der Studie als einwandfrei. Störend ist allerdings die geringe Zahl der Probanden, was aussagekräftige Resultate von vorneherein erschwert.

Tatsächlich haben die Forscher keine negativen Auswirkungen einer erhöhten Stickstoffdioxid-Konzentration feststellen können, was im Sinne des Sponsors, der Automobilindustrie, sein dürfte. Denn diese profitiert von jeglichen Informationen zur vermeintlichen Unschädlichkeit von Stickstoffoxiden, die sich auch im Dieselabgas befinden. Dass sich die Aachener Forscher für eine unsaubere Forschungsarbeit einspannen liessen, wäre jedoch eine Unterstellung. Für einen solchen Vorwurf müsste man den Vertrag kennen, den die Wissenschafter mit ihrem Sponsor abgeschlossen haben. Solange dieser garantiert, dass die Forscher beim Erstellen der Studie, bei der Datenanalyse und bei der Publikation der Resultate freie Hand haben, ist gegen die Kooperation nicht viel einzuwenden.

Diese Lesart dürfte sich allerdings mit den Enthüllungen rund um Diesel-Gate geändert haben. Denn wie die Tabakindustrie hat die Automobilindustrie als Sponsor für Forschungsprojekte ihre Unschuld verloren. Wer sich als Wissenschafter weiterhin mit solchen Partnern ins Bett legt, muss sich zu Recht kritische Fragen stellen lassen. Aber wer weiss, vielleicht hilft die Diskussion, die Forschungsförderung im Bereich der Umweltschadstoffe auf eine bessere Grundlage zu stellen. Denn die Idee, dass sich die Verursacher von Schadstoffen bei der Erforschung der Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt finanziell beteiligen, ist nicht verkehrt. Nur sollte mit einer vernünftigen Organisation sichergestellt werden, dass die Verursacher zwar mitdiskutieren können, worüber geforscht werden soll. Die Entscheidung über die Verwendung der finanziellen Mittel sollte jedoch ein neutrales Gremium fällen. In der Schweiz könnte das zum Beispiel der Nationalfonds sein.