Terror im Regierungsviertel von Ankara: 28 Tote, nur 300 Meter vom Hauptquartier der Streitkräfte und vom Parlament entfernt – und niemand will es gewesen sein. Das Attentat trägt die Handschrift der Fanatiker vom sogenannten Islamischen Staat (IS). Doch der bekennt sich dazu nicht, was er sonst nach solchen Gräueltaten immer übereifrig und eilig getan hat. Auch kann man kein großes Interesse des IS unterstellen, dass die mächtigste Armee in der Region Kriegspartei im untergehenden Nachbarstaat Syrien wird, denn dann wäre es schnell vorbei mit den Islam-Faschisten.
Wer war es dann? Es gibt radikale Kurdenfraktionen, die ein Interesse an Eskalation haben, die den türkischen Staat zur Kriegspartei im syrischen Sumpf machen wollen, um den sogenannten „tiefen Staat“ zu destabilisieren. Es ist die Stunde mancher Kurden, denn die Kurden gibt es nicht. Ein heterogenes Volk von mehr als 30 Millionen Menschen, das größte Volk der Erde ohne eigenen Staat.
In ihren Siedlungsgebieten von der jeweiligen Bevölkerungsmehrheit geduldet oder – wie im Irak – ein etablierter Machtfaktor. Ihre Geschichte ist eine des fortgesetzten Betrugs, der gebrochenen Versprechen und der Unterdrückung.
Kurdische Autonomie?
Doch jetzt ist ihre Zeit, sie werden von allen hofiert: von den Europäern, den Amerikanern, den syrischen Widerstandskämpfern gegen das Regime von Diktator Baschar al-Assad, den Gegnern des IS. Nordirakisch-kurdische Peschmerga avancierten zur Speerspitze bei der Befreiung von Kobani, kurdische Milizen wurden zu den Rettern der im Sindschar bedrängten Jesiden. Die Kurden, Everybody’s Darling.
Aber natürlich geht es den teilweise untereinander verfeindeten und rivalisierenden Kurdenfraktionen um Macht und Einfluss, nicht zuletzt um eine supranationale Einheit. Zu diesem Zweck ist jeder Pakt recht, selbst mit den Russen, die in Syrien im Namen Assads ein Machtvakuum herbeibomben, das die Kurden nur zu gern ausfüllen würden.
Sie werden eine Dividende dafür einfordern, dass sie dem IS entgegentraten. Der Preis wird eine wie auch immer geartete Autonomie sein müssen. Das widerspricht türkischer Staatspolitik, die weder Autonomie noch Vollintegration der Kurden vorsieht. Das Attentat liefert Ankara nun einen nicht unwillkommenen Vorwand, den Krieg gegen die kurdische PKK und ihre mutmaßlich Verbündeten mit aller Härte fortzusetzen. Der syrische Bürgerkrieg wird exportiert – und das Nato-Mitglied Türkei wird zur handelnden Partei.