Kommentar

Dunkle Wolken über dem Weissen Haus

In 10 von 15 Vorwahlen hat Trump nun gesiegt. Es ist Zeit, sich zu fragen, was seine Nominierung für Amerika bedeuten könnte.

Marie-Astrid Langer
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 Donald Trump könnte tatsächlich der republikanische Kandidat 2016 werden. (Bild: Andrew Harnik / Keystone)

Donald Trump könnte tatsächlich der republikanische Kandidat 2016 werden. (Bild: Andrew Harnik / Keystone)

Die USA sind am Mittwoch aufgestanden mit der Erkenntnis, dass Donald Trump tatsächlich der republikanische Kandidat 2016 werden könnte. Ungläubig reiben sich Journalisten, Politologen sowie viele Republikaner die Augen. Gerne würde man wissen, ob Trump vom eigenen Erfolg ähnlich überrascht ist.

Bei genauerer Betrachtung gibt es für diesen mehrere Gründe: Eines der wichtigsten Alleinstellungsmerkmale Trumps ist, dass er seine Kampagne selbst finanziert. Das unterscheidet ihn von seinen Konkurrenten, hinter denen mit den Super-PAC mächtige Geldgeber stehen, die so für ihre Interessen lobbyieren. Dieses politische System finanzieller Einflusskanäle frustriert viele Wähler, was sich auch bei den Demokraten im Erfolg von Bernie Sanders spiegelt: Zielsicher attackiert er Clinton für hohe Vortragsgagen von Banken und stellt sie als verlängerten Arm der Wirtschaftselite dar, während ihn selbst eine Bewegung Tausender kleiner Geldgeber trägt. Die Revolution als Vision war schon immer attraktiv.

Trumps Unterstützer sind zu einem Grossteil Arbeiter mit niedrigem Bildungsstand, die ihre Jobs an Einwanderer oder an Billiglohnländer verloren haben oder durch sie gefährdet sehen. Sie lockt die Perspektive, dass sich die USA unter einem Präsidenten Trump wirtschaftlich abschotten würden. Das Wahlmotto «Make America great again» spricht sie im Herzen an. Doch es würde dem Phänomen Trump nicht gerecht, seinen Rückhalt auf diese Wählergruppe zu reduzieren. Trumps Erfolge in so unterschiedlichen Gliedstaaten wie Alabama und Massachusetts unterstreichen, wie breit sein Rückhalt in allen Bevölkerungsschichten ist. Dies erklärt sich auch damit, dass er sich als kumpelhafter Typ inszeniert, der in Washington aufräumen wird. Rhetorisch geschickt schürt er Verschwörungstheorien, die aufgrund des grossen Verlusts des Vertrauens in die oft dysfunktionale Elite Washingtons blühen.

Und selbst seine Gegner müssen eingestehen, dass der 69-Jährige unterhaltsam ist: Wenn er seine Konkurrenten diffamiert, zieht er Grimassen und findet Analogien, die jeden zum Schmunzeln bringen. Dieser Überraschungs- und Unterhaltungsfaktor verschafft Trump eine ständige Medienpräsenz und breite Sympathie. Wie er Dinge sagt, lässt vergessen, was er da inhaltlich von sich gibt.

Der Immobilienmogul strahlt zudem eine Stärke aus, nach der sich viele Amerikaner sehnen. Mit dem Namen Trump assoziieren sie seit Jahren Reichtum und Erfolg. Aussagen, die jeden seiner Konkurrenten zu Fall gebracht hätten, wirken bei ihm mutig.

Die Republikaner haben den Kardinalfehler begangen, das Phänomen Trump unterschätzt zu haben. Zu lange gingen sie davon aus, dass er sich selbst zu Fall bringen würde. Während sich seine Konkurrenten gegenseitig bekriegt haben, ist Trump aber nicht implodiert, sondern zu neuen Höhen aufgestiegen. Erst jetzt werden Fragen zu seiner Vergangenheit laut, etwa zu seiner Steuererklärung. Doch es könnte zu spät sein.

Allmählich muss man sich fragen, was es bedeuten würde, wenn der Reality-TV-Star tatsächlich offizieller republikanischer Kandidat wird – oder gar der 45. Präsident der Supermacht USA. Man mag reflexartig einwenden, dass Trump in einem Zweikampf mit der früheren Senatorin und Aussenministerin Hillary Clinton keine Chance hätte; und dass Clinton die demokratische Kandidatin sein wird, ist nun nahezu sicher. Doch 2016 scheint alles möglich; auch, dass die Frustration der Wähler über das politische Establishment einen Donald Trump ins Weisse Haus trägt.

Ein Präsident Trump aber wäre fatal für Amerika wie für den Rest der Welt. Welche Werte er verkörpert, ist kaum abzuschätzen: Er hat mal den Demokraten, mal den Republikanern angehört, seine Ansichten zum Thema Abtreibung ebenso gewechselt wie zur Frage des Waffenverbots. Seine Unberechenbarkeit macht Trump so gefährlich. Falls er im Wahlkampf den Populisten nicht nur gemimt hat, wäre seine Nominierung Grund zur äussersten Besorgnis: Er will die Familien von Terroristen umbringen lassen, Muslimen die Einreise verwehren, den Freihandel stark einschränken. Auch Amerikas Partner hat er wiederholt diffamiert. Vielleicht würde Trump im Zweikampf um das Weisse Haus auf gemässigtere Positionen zurückrudern. Doch gemessen an den Worten mag man sich kaum ausmalen, wie er Amerikas Innen- und Aussenpolitik prägen würde.

Noch ist es nicht zu spät, eine Nominierung oder gar Präsidentschaft Trumps zu verhindern. Seine bisherigen Gewinne reflektieren auch das Fehlen einer klaren Alternative. Dafür aber muss sich das Kandidatenfeld endlich lichten, zum Wohl der Republikanischen Partei wie auch des Landes.