An den Grenzen der Gemeinschaft

Der vierte Anlauf für eine faire Aufteilung von Flüchtlingen wird scheitern. Leider.

Das Ideal ist die qualitativ beste Orientierung. Aber wenn das Ideal so weit von der Realität entfernt ist, wird es leicht als Provokation aufgefasst. So ergeht es nun dem Vorschlag der EU-Kommission für eine gemeinsame Abwicklung von Asylanträgen und ihrem neuerlichen Versuch, Quoten für die Aufteilung von Flüchtlingen einzuführen. Das wird wohl oder übel an einigen Mitgliedsländern scheitern.

Im Rahmen des Dublin-Systems wurde bereits dreimal versucht, eine faire Lastenteilung zu finden: 1990, 2003, 2013. Dreimal ist das misslungen, weil eine große Zahl an Regierungen jeweils die Hoffnung hatte, sich aus der Verantwortung drücken zu können. Übrig geblieben ist die unbefriedigende Lösung, dass die Ersteinreiseländer die Hauptlast tragen.


Das Ideal wäre tatsächlich ein Beschluss, Flüchtlinge künftig nach denselben strengen Regeln gerecht in ganz Europa aufzuteilen. Selbst wenn zwei Millionen Syrer in die EU fliehen würden, könnte das dann für eine 504-Millionen-Gesellschaft verkraftbar organisiert werden. Dafür notwendig wäre aber ein Bekenntnis zur Aufnahme dieser Menschen, das es nicht gibt. Notwendig wäre Solidarität unter den 28 Mitgliedern, die nicht vorhanden ist. Und es wäre das Vertrauen in die EU-Institutionen notwendig, die solche Verfahren kontrollieren müssten. Auch das gibt es nicht.

wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2016)

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