Ihre Gegner sind um nichts besser als Präsidentin Rousseff.
Demonstrativ unbeeindruckt wollte die Präsidentin auch am Sonntag nicht auf ihr morgendliches Ritual verzichten. Dilma Rousseff begab sich auf ihre gewohnte Radrunde durch Brasilia, während Hunderttausende Brasilianer sich aufmachten, um ihr am Tag der Abstimmung im Parlament süffisant einen Abschiedsgruß hinterherzurufen: „Tchau, Querida!“ So hatte sich Lula in einem abgehörten Telefonat neulich von seiner loyalen Mitstreiterin verabschiedet.
Dies zeigt, aus welchem Holz die frühere Guerillakämpferin geschnitzt ist, die selbst unter Folterhaft unbeugsam blieb. Sie will auch das Amtsenthebungsverfahren bis zum bitteren Ende durchstehen, obwohl das Land wenige Monate vor Beginn der Olympischen Spiele in Rio am Rande des Chaos taumelt. Rousseff hat sich manches zuschulden kommen lassen. Vor allem, dass sie Brasilien in die Rezession manövriert hat, halten ihr Freund wie Feind vor.
Doch ihre Gegner sind um nichts besser als die glücklose Lula-Nachfolgerin, die nicht zu Unrecht von einem „parlamentarischen Staatsstreich“ raunt. Beim turbulenten Votum schlug die Stunde der Heuchler. Mehr als der Hälfte der Abgeordneten droht ein Verfahren wegen Korruption, allen voran Vizepräsident Temer und Parlamentspräsident Cunha, ihren potenziellen Erben aus den Reihen der Opposition. Nur Neuwahlen können Brasilien aus der Krise führen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2016)