Fast flehentlich klingen die Worte des Uno-Beauftragten für Syrien, Staffan de Mistura, in dem Papier, in dem er die Genfer Syrien-Verhandlungsrunde vom April zusammenfasst: "Wenn Gespräche über einen politischen Übergang in Syrien etwas bringen sollen, dann müssen sie von konkreten und sichtbaren Vorteilen für die syrische Bevölkerung am Boden begleitet sein." Genau dies ist derzeit nur mehr sehr begrenzt der Fall. Die seit Ende Februar geltende Waffenruhe zwischen Regime und Rebellen ist de facto zusammengebrochen. Die Regime-Offensive in Aleppo macht es den Rebellengruppen schwer, ihre Bereitschaft zum Stillhalten und zu Verhandlungen zu verteidigen.

Dass die USA, die gemeinsam mit Russland die Waffenruhe durchsetzten, jedoch nicht einfach in den Chor derer einstimmen, die sie für obsolet erklären, hat einen guten Grund. Denn der Defekt steckt in der Konstruktion der Waffenruhe selbst: Sie trat in Kraft, obwohl nicht klar entschieden war, wer nun weiter bekämpft werden darf – sicher der "Islamische Staat" und die zu Al-Kaida gehörende Nusra-Front – und wer nicht. Es war bekannt, dass Rebellen mit der Nusra-Front teilweise kooperieren. Dabei kommt es auch zu gemeinsam gehaltenen Territorien. Dass das Assad-Regime diese Situation ausnützt und dort weiter ohne jegliche Rücksicht auch Zivilisten bombardiert, steht auf einem anderen Blatt. Der Zahltag kommt schon noch.

Die militärische Lage am Boden ist sehr verworren und die Diplomatie geheim, aber es gibt einige Hinweise auf Entwicklungen in beiden Bereichen: Da der Ansatz, Rebellen und Terroristen per Definition zu unterscheiden, gescheitert ist, könnte man es nun mit einem territorialen versuchen – wenn die einzelnen Gruppen ihr jeweils eigenes Territorium definieren, dann entflechten sie sich gewissermaßen, zuerst physisch, dann vielleicht politisch.

Die USA stellen sich offenbar vor, dass aus dieser Entflechtung "sichere Zonen" hervorgehen könnten, in die auch Zivilisten aus anderen Gebieten in Sicherheit gebracht werden könnten: Angriffe dort wären eine klare Verletzung der Waffenruhe. Natürlich hat auch dieser Plan mehr als einen Makel: nicht zuletzt den, dass die Rebellen dann akzeptieren müssten, dass andere Territorien gewissermaßen zur Rückeroberung durch das Regime freigegeben sein würden. Das schmerzt – aber erst einmal das Töten zu stoppen ist heute das wichtigste Anliegen. (Gudrun Harrer, 2.5.2016)