Kommentar Neue Flüchtlingszahlen: Für Zäune ist das Geld da

Mehr Menschen als je zuvor sind auf der Flucht. Die Staatengemeinschaft versagt eklatant darin, Kriege und ihre Folgen zu verhindern.

Eine Frau sitzt in einem Zelt, auf dem UNHCR zu lesen ist, und isst.

Vor der Gewalt im Heimatland geflohen: eine Frau aus Burundi in einem Flüchtlingslager in Ruanda Foto: dpa

Die Rekord-Flüchtlingszahlen belegen vor allem eines: Das Scheitern der Weltgemeinschaft bei der Beilegung und Bewältigung von Konflikten. Armutsflüchtlinge – die nichts weiter sind als ArbeitsmigrantInnen – sind heute in der Minderheit. Flucht ist derzeit in allererster Linie die Flucht vor Krieg.

Natürlich muss über Fluchtursachen gesprochen werden. Aber aktuell sind das weit weniger Armut und allgemeine Perspektivlosigkeit – wer hiervon betroffen ist, verlässt sein Land nur im Ausnahmefall –, sondern bewaffnete Konflikte.

Die Staatengemeinschaft versagt nicht nur darin, Kriege zu verhindern, einzudämmen oder zu beenden. Sie versagt auch eklatant darin, ihre Folgen zu bewältigen.

Seit geraumer Zeit klagen die Hilfsorganisationen über einen „Syrien-Effekt“: Die internationale Aufmerksamkeit gilt dem Großkonflikt im Nahen Osten. Die anderen Krisen, vor allem in Afrika, die ähnlich viel menschliches Leid verursachen, geraten in Vergessenheit. Entsprechend sind weniger Ressourcen für ihre Opfer mobilisierbar. Von den Langzeit-Flüchtlingen, die oft weit über ein Jahrzehnt in verfestigten Lagern etwa in Kenia leben, ganz zu schweigen. Sie stehen ganz am Ende der Hilfs-Priorität.

Nothilfe ist massiv unterfinanziert

Insgesamt ist die Nothilfe heute massiv unterfinanziert. Die ohnehin schon emotional und körperlich massiv belastende Fluchterfahrung wird dadurch für viele Menschen lebensbedrohlich.

Die Verteilung von Flüchtlingen nach Zielländern, Aufnahme absolut und nach Bevölkerungsanteil (zum Vergrößern anklicken) Foto: infotext-berlin.de

Nach und nach hat sich in Europa herumgesprochen, dass der massive Anstieg der Flüchtlingszahlen im letzten Sommer eine direkte Folge der versiegenden Hilfszahlungen war. Als die Lebensmittelrationen in Jordanien und dem Libanon drastisch gekürzt wurden, machten sich mehr Menschen als je zuvor auf den Weg. Die Syrien-Mittel wurden deshalb in diesem Frühjahr aufgestockt.

Doch die Priorität der Ausgaben liegt heute immer mehr auf der Migrationskontrolle. Während die UN Rekorde bei den Flüchtlingszahlen verzeichnet, kündigt die EU Rekordausgaben an, um eben jene Flüchtlinge mit allen Mitteln aufzuhalten. Für Zäune und Gefängnisse ist das Geld da, das für Hilfe fehlt.

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