Schlepper lassen Flüchtlingsschiffe im Stich

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage hat die italienische Küstenwache am Wochenende Flüchtlinge von einem führungslosen Frachter gerettet. Die rund 360 Menschen sollen aus Syrien stammen. Kommentatoren weisen darauf hin, dass Schlepper von der verfehlten EU-Flüchtlingspolitik profitieren und fordern eine koordinierte EU-Rettungsaktion im Mittelmeer.

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Deutschlandfunk (DE) /

Schlepper profitieren von EU-Politik

Das lukrative Geschäft der Schlepper mit der Not der Flüchtlinge ist die andere Seite der Medaille der europäischen Abschottungspolitik, kritisiert der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk: "Frontex, die Grenzschutzagentur, die nun in Warschau Krokodilstränen vergießt, schafft es nicht, Europas Grenzen dicht zu halten. Wie auch - angesichts von Millionen Menschen auf der Flucht direkt vor unserer Haustür. Die Abschottung Europas, sie funktioniert nicht. Und die international vernetzten und hoch professionellen Schlepperbanden haben sich damit bestens arrangiert. Sie sind Teil einer Abschottungsindustrie, Teil eines Systems, bei dem auch Europa gerne mal wegschaut. ... Ist Asyl ein Menschenrecht? Sollen Menschen, die vor Kriegen in Syrien, im Irak und in Afrika fliehen und ihr Leben retten wollen, einen sicheren Ort finden? Dann muss es auch sichere Wege nach Europa geben - ohne dass Menschen den Tod an der Grenze riskieren. Aber das ist wohl nicht gewollt."

El País (ES) /

Rettungsaktionen nicht Einzelstaaten überlassen

Die europäische Flüchtlingspolitik darf nicht an den nationalen Regierungen hängen bleiben, fordert die linksliberale Tageszeitung El País angesichts des Flüchtlingsdramas auf dem Frachter Ezadeen: "Ganz Europa muss einsehen, dass es gefangen ist zwischen den Werten der Menschenrechte und den wachsenden Anti-Einwanderungs-Gefühlen der Bevölkerung, die von extremen Parteien geschürt werden und gemäßigtere Politiker einschüchtern. ... Es ist ein Thema, das nicht den einzelnen Regierungen überlassen werden darf. ... An sich ist es ein Problem der gesamten internationalen Staatengemeinschaft, aber Europa steht in der Verantwortung, eine gemeinsame Position einzunehmen und damit den Gegensatz zu überwinden zwischen denen, die große Rettungsaktionen einleiten wollen und denen, die dies ablehnen, um nicht noch mehr Migranten anzulocken."

The Independent (GB) /

EU darf Flüchtlinge nicht ertrinken lassen

Das Ende der von Italien finanzierten Rettungsinitiative "Mare Nostrum" ist schuld an dem erneuten Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer, meint die linksliberale Tageszeitung The Independent: "Die Vorstellung, dass die Operation 'Mare Nostrum' Migranten 'ermutigte' zu fliehen, ist ein Irrglaube, der nun mindestens genauso falsch wie geschmacklos wirkt. ... In unseren warmen Wohnzimmern sitzend, fällt es schwer sich vorzustellen, wie verzweifelt diese 'Migranten' sind. ... Ein Flüchtling zu werden gehört zur unmenschlichsten Erfahrung, die jemand machen kann. Sie werden Teil einer Masse und sind keine Individuen mehr mit denen wir mitfühlen. Stattdessen werden sie zu einem Problem, das wir nicht anpacken wollen. Aber das einzige, was diesen scheinbar endlosen Strom von Migranten beenden wird, ist deren Möglichkeit im eigenen Land in Sicherheit zu leben. ... Wir sollten nicht zulassen, dass die EU mit einem zweitklassigen Such- und Rettungssystem reagiert, das traumatisierte Menschen dem Risiko des Ertrinkens überlässt."

La Stampa (IT) /

IS treibt Syrer nach Europa

Die IS-Terrormilizen treiben immer mehr Syrer zur Flucht, prophezeit die liberale Tageszeitung La Stampa: "Es ist das syrische Bürgertum, das flieht. Die Mehrheit von ihnen ist nicht arm. ... Sie hat sogar gehofft, den Bürgerkrieg dank ihrer finanziellen Mittel zu überstehen. Jetzt aber flieht das Bürgertum aus den verwüsteten Städten. Vor den finsteren Verwaltern des Gesetzes Gottes, vor der islamistischen Diktatur, die sich einem Krieg ohne Ziel, einem Krieg gegen alle verschrieben hat. Sie haben keine Hoffnung mehr. Sie fliehen vor einer grausamen, totalitären Erfindung, die das normale Leben wertlos macht, zerstört, vernichtet, zerstückelt und zerstäubt. Gibt es eine perfidere Grausamkeit? Das künftige islamistische Syrien wird ein Staat sein, der nicht dem Leben, sondern der Zivilisation den Garaus macht."