Machtwechsel in Israel möglich

Israel wählt am heutigen Dienstag ein neues Parlament. Umfragen sehen das Mitte-Links-Bündnis mit Spitzenkandidat Jitzhak Herzog vor Premier Benjamin Netanjahu und seiner Likud-Partei. Einige Kommentatoren sehen Netanjahu unter Druck, weil er außenpolitisch versagt hat. Andere glauben, dass er die wahren Alltagssorgen der Bevölkerung verkennt.

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The Times (GB) /

Israel verdient neue Führung

Israels Premier Benjamin Netanjahu hat außenpolitisch versagt und sollte abgewählt werden, urteilt die konservative Tageszeitung The Times: "Die Verhandlungen mit den Palästinensern scheinen unangenehm festgefahren zu sein. Das ist nicht allein Netanjahus Schuld, doch sein Wahlkampf hat sich auf Außenpolitik konzentriert, und mit seiner Bilanz verdient er wohl kaum uneingeschränkte Unterstützung. Symbolisch für seinen verfehlten außenpolitischen Ansatz war sein jüngster Besuch in Washington, dem nicht eine Einladung des Weißen Hauses sondern eine des republikanischen Mehrheitsführers im Repräsentantenhaus zugrunde lag. Es ist nicht sinnvoll, die Unterstützung des jüdischen Staats zur Angelegenheit einer einzelnen Partei zu machen, sie muss ein überparteiliches Anliegen sein. ... Netanjahus Bilanz im Amt ist mäßig. Israel, ein Leuchtturm für demokratische Werte in einer gefährlichen Region, verdient eine neue Führung."

Hospodárske noviny (SK) /

Netanjahu ist womöglich ersetzbar

Als Premier Benjamin Netanjahu im Dezember die Koalition auflöste, dachte er leichten Herzens an Neuwahlen, weil er sich für unersetzlich hielt, erinnert die wirtschaftsliberale Tageszeitung Hospodářské noviny: "Die Israelis meinten, niemand sonst sei so erfahren und fähig, sich dem Iran, dem IS, der Hamas oder der Hisbollah entgegenzustellen. Doch vor allem das Gefühl Netanjahus, unbesiegbar zu sein, hat die Israelis zu ärgern begonnen. ... Ein großer Teil der Gesellschaft hat wirtschaftliche Sorgen, leidet vor allem unter teuren Mieten. Viele haben den Eindruck, dass Netanjahu kein Verständnis für solche Probleme hat. Der Linken gelang es zudem, Zweifel zu säen, dass nur Netanjahu Israel vor ausländischen Bedrohungen schützen könne. Seine Arroganz habe das Verhältnis zu Europa und vor allem zu den USA auf den Nullpunkt gebracht. ... Nach den letzten Umfragen wird der Likud Federn lassen. Vorab entschieden ist nichts. Aber Netanjahus Position scheint in jedem Fall erschüttert."

Público (PT) /

Sicherheit ist gar nicht wichtigstes Thema

Netanjahus Herausforderer haben Aussichten auf Erfolg, weil sie sich eher um die Sorgen und Nöte der Bevölkerung zu kümmern scheinen, analysiert die liberale Tageszeitung Público: "Netanjahu versucht, seine vierte Amtszeit zu erreichen, indem er die Bedrohung durch den Iran und islamistische Gruppen ausspielt. ... Seine Herausforderer Zipi Livni von der liberalen Hatnua-Partei und Jitzhak Herzog von der Zionistischen Union setzen auf den sozialen Bereich. Eine Umfrage des Guardians zeigte vor Kurzem, dass mehr als 50 Prozent der Wähler die Lebenshaltungskosten noch vor der Sicherheit als höchste Priorität betrachten. ... Und auch was die allgegenwärtige Palästina-Frage angeht, gewinnen Livni und Herzog an Boden. Beide sehen eine Wiederaufnahme eines direkten Dialogs mit den Palästinensern als Chance - ganz im Gegensatz zu Netanjahu, der eine Zwei-Staaten-Lösung mit einem eindeutigen 'Nein' erneut ausgeschlossen hat."

Svenska Dagbladet (SE) /

Mit der Arabischen Liste ist zu rechnen

Dass erstmals auch die Vereinigte Arabische Liste an der Wahl teilnimmt und die Regierungsbildung tatsächlich beeinflussen könnte ist nach Ansicht der konservativen Tageszeitung Svenska Dagbladet bemerkenswert: "Vier sehr unterschiedliche Parteien - Kommunisten, Antizionisten, arabische Nationalisten und die islamische Bewegung - haben sich zusammengetan, um die Sperrklausel von 3,25 Prozent zu überwinden. Zusammen entwickeln sich die Parteien plötzlich zu einem echten Machtfaktor. In der Praxis ist zwar schwer zu erkennen, wie ein solcher Kompromiss aussehen sollte, aber zumindest theoretisch könnten die Abgeordneten der Vereinigten Arabischen Liste nach der Auszählung der Stimmen wirklich zu Königsmachern werden. Das ist fantastisch."