Einigung zwischen Eurogruppe und Athen

Nach 17 Stunden Verhandlungen haben die Eurogruppen-Chefs am Montagmorgen einen Kompromiss mit Athen erreicht. Zuvor war am Wochenende der Streit zwischen Gegnern und Befürwortern eines Grexit offen ausgebrochen. Einige Kommentatoren erkennen nach den Verhandlungen eine wachsende Kluft zwischen Frankreich und Deutschland. Andere hoffen, dass eine Einigung in diesem zähen Streit die EU stärkt.

Alle Zitate öffnen/schließen
Der Standard (AT) /

Griechenland entzweit Paris und Berlin

In den Verhandlungen mit Griechenland ging es auch um die Machtverhältnisse in der Eurozone, meint die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "Vor allem Deutschland hat den Druck an diesem Wochenende massiv erhöht und zwar mit handfesten Drohungen: Finanzminister Wolfgang Schäuble hat ein Positionspapier in Umlauf gebracht, in dem die Option eines Grexit auf Zeit, eines Ausscheidens Griechenlands aus der Währungsunion für fünf Jahre, erwähnt wird. ... Für Griechenland, aber auch Teile der Europartner ging das zu weit: Genug ist genug, rief Italiens Premier Matteo Renzi. Hardliner Deutschland hat noch einmal nachgelegt, Frankreich hat sich dagegen auf die Seite Griechenlands und der Südländer geschlagen. Es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass die beiden Länder nicht an einem Strang ziehen, wenn es um wichtige Entscheidungen in der EU geht."

Právo (CZ) /

Emotionen verdrängen Argumente

Die zähen Verhandlungen des Wochenendes zeigen, dass es für die EU immer schwerer wird, vernünftige Kompromisse zu erzielen, resümiert die linke Tageszeitung Právo: "Statt Argumenten dominieren Emotionen. Das erschwert die Suche nach rationalen Lösungen. ... Die Probleme beschränken sich nicht mehr nur auf das Verhältnis Griechenlands zum Rest des Euroklubs. Gegeneinander stehen der Norden und der Süden und vor allem die Schwergewichte Deutschland und Frankreich. Die direkte Beteiligung Paris' an der Ausarbeitung der griechischen Reformen und deren Ablehnung durch Berlin bestätigen, dass die beiden Länder, die bisher Kern und Motor der Europäischen Union waren, im Streit um Griechenland am jeweils anderen Ende des Stricks ziehen. ... Ein drittes Rettungspaket ist der Versuch eines Kompromisses in einer Zeit, da Kompromisse nicht mehr möglich zu sein scheinen."

Der Spiegel (DE) /

Europa braucht eine eigene Finanzregierung

Die Währungsunion war von Anfang an eine Fehlkonstruktion und benötigt dringend Nachbesserungen, fordert das Nachrichtenmagazin Der Spiegel: "Es gibt in Europa keine zentrale Instanz, die bei einem Abschwung die Steuern senken, staatliche Ausgaben hochfahren oder Schulden aufnehmen könnte. Die Eurozone ist der zweitgrößte Wirtschaftsraum der Welt, aber sie kann keine eigenständige Konjunkturpolitik betreiben. ... Europa braucht eine Wirtschafts- und Finanzregierung, die vom Parlament kontrolliert wird und über die nötigen Instrumente verfügt: ein eigenes Budget sowie die Möglichkeit, in die nationalen Haushalte hineinzuregieren. Wer so etwas fordert, genießt in Brüssel derzeit den Ruf des Naivlings. Ein Plädoyer für mehr Europa, so heißt es dort, ist das beste Rezept für Wahlniederlagen."

Le Figaro (FR) /

Nur Vertrauen hält den Kontinent zusammen

Soll die EU eine Zukunft haben, muss sie aus dem griechischen Schuldendrama lernen und neues Vertrauen zwischen ihren Mitgliedern aufbauen, rät die konservative Tageszeitung Le Figaro: "Neue Spielregeln sind nötig und diese müssen sowohl kollegialer als auch bindender sein. Es wäre weise, künftigen Krisen vorzugreifen, indem eine Möglichkeit für einen geregelten Ausstieg aus dem Euro geschaffen wird. Auch über eine politische Lehre muss nachgedacht werden: Je mehr die Positionen von Deutschland und Frankreich auseinanderdriften, desto größer wird die Kluft zwischen ihren Wirtschaften und damit die Gefahr, dass Europa zerfällt. Was Europa wirklich zusammenhält, ist Vertrauen. Am Beispiel Griechenlands sehen wir das Beben, das entsteht, wenn es verloren geht. Doch dieses Beben ist noch nichts im Vergleich zu dem, das uns droht, wenn das Vertrauen zwischen Frankreich und Deutschland abhanden kommt."

Jutarnji list (HR) /

Einigung wird die EU stärken

Die Verhandlungspartner in der Griechenlandkrise scheinen sich ihrer historischen Verantwortung bewusst zu sein, lobt die liberale Tageszeitung Jutarnji List: "Die Griechenlandkrise wird zur Schlüsselfrage der EU, die vor einem möglichen Austritt Großbritanniens und einem 'Europa der zwei Geschwindigkeiten' steht. Sie stellt das Wesen der europäischen Integration in Frage, die das erfolgreichste europäische Projekt seit Karl dem Großen darstellt. ... Es ist gut, dass sich alle Zeit genommen haben, dass Tsipras sich Varoufakis entledigt und neue Reformen vorgeschlagen hat. Sollen sich die Anderen diese nun in Ruhe anschauen und Europa, das sich derzeit zwischen Scylla und Charybdis befindet, in stillere Gewässer manövrieren. Denn vor uns liegen viele Hindernisse und Gefahren, denken wir nur an die Ukraine und den IS. Die EU-Führung wird hoffentlich die Stärke und Weisheit des Herkules aufbringen, um das ganze Projekt zu retten."