Tsipras stößt auf Widerstand

Nach der Einigung mit der Eurogruppe formiert sich in Griechenland Widerstand gegen die Sparpläne. Premier Alexis Tsipras wird das Abkommen im Parlament voraussichtlich nur mit Stimmen der Opposition durchbringen. Die Gläubiger demütigen Griechenland und stellen unrealistische Forderungen, finden einige Kommentatoren. Andere loben die Einigung und sehen sie als Chance für eine Erholung des Landes.

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Sme (SK) /

Unrealistisches Diktat der Eurozone

Was die Eurozone von Athen fordert, ist unannehmbar hart, kritisiert die liberale Tageszeitung Sme: "Um einen neuen Kredit zu bekommen, muss Griechenland die globale Erwärmung stoppen (am besten gleich am Dienstag), und heilende Medikamente gegen Aids, Krebs und Herzinfarkt erfinden. Und 60 Jahre lang beim Eurovision-Songcontest für den Sieg der Interpreten aus Deutschland stimmen. Das ist natürlich nur ein Witz, der bei Twitter grassiert. Aber er hat einen realen Kern: Griechenland musste sich am Ende des Verhandlungsmarathons einem Diktat unterwerfen. ... Die Eurozone verhält sich allmählich wie ein Geldeintreiber, der ins Haus kommt, um von einer schlechten Ernte auch noch das letzte Korn zu konfiszieren. Wenn Syriza das alles schultert, käme es einem kleinen Wunder gleich. Man muss mit Premier Tsipras in keinem Punkt übereinstimmen. Aber wer kommt nach ihm an die Macht? Die griechischen Neonazis?"

La Repubblica (IT) /

Griechenland wird von Europa entmündigt

Europa hat Griechenland seine Staatshoheit genommen und behandelt das Land nun wie ein unmündiges Kind, poltert Lucio Caracciolo in der linksliberalen Tageszeitung La Repubblica: "Griechenland hat aufgehört, als unabhängiger Staat zu existieren. Was bleibt sind die Griechen. Aufgerufen, nicht nur verheerende wirtschaftliche Opfer zu bringen, sondern auch die Demütigung zu ertragen, wie Minderjährige behandelt zu werden, denen untersagt wird, sich selbst um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Das Sorgerecht wird pro forma Brüssel und Frankfurt übergeben, de facto Berlin: Ein strenger Vater, der in Versuchung war, das Kind nicht anzuerkennen, schließlich aber zu der Überzeugung gelangt ist, doch so zu tun, als bestünde noch ein winziger Rest hellenischer Souveränität. Jedenfalls vorläufig, um zu verhindern, dass mit der Todeserklärung des unter Schutz gestellten Staates der Zerfall des Euro, und somit der Europäischen Union, einträte."

Kathimerini (GR) /

Jetzt braucht Athen eine neue Regierung

Das Linksbündnis Syriza steht nach dem Abkommen vom Montag vor einer Spaltung. Die konservative Tageszeitung Kathimerini meint, dass Griechenland nun eine neue Regierung braucht: "Premierminister Tsipras tut, was richtig für das Land ist, opfert aber seine Partei. Die einzige Lösung ist, eine neue Regierung zu bilden, deren Aufgabe es ist, Griechenland weiterhin in der gemeinsamen Währung zu halten. Ideologische und andere Unterschiede müssen hinten angestellt werden, um die nationalen Interessen zu wahren, die - nach allem - auch von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt werden. Es ist aufgrund der Entwicklungen am Wochenende bereits mehr als klar, wer einen wahren Sinn für Verantwortung in der Regierung hat und wer nicht. Jetzt liegt es an den Partnern und Kreditgebern Griechenlands, dem Land die Luft zum Atmen zu geben, die es braucht, um sich in die Arbeit zu stürzen."

Ziare (RO) /

Tsipras hat alles noch schlimmer gemacht

Die Sparmaßnahmen, die im Gegenzug für das neue Hilfspaket von Athen gefordert werden, sind noch drastischer ausgefallen, weil Premier Alexis Tsipras so lang gezögert hat, meint die Journalistin Ioana Dogioiu Ene im rumänischen Nachrichtenportal Ziare: "Tsipras hat sich als Abenteurer erwiesen, der sein Land in eine schwierige Lage steuerte - weitaus schwieriger als die im Januar, als er die Regierung übernahm. Hätte er den Weg eines nachhaltigen Wachstums gewählt, wäre Griechenland vermutlich billiger davon gekommen. ... Aber nun haben die Euroländer ein nötiges Exempel statuiert. … Es ist unklar, ob Tsipras noch eine politische Zukunft hat. Wie will er seinem Volk erklären, dass es ein schwereres Schicksal erwartet, als das, was es beim Referendum ablehnte? … Wäre er von der Notwendigkeit tiefgreifender Reformen überzeugt gewesen, warum hat er sie dann nicht gleich in den ersten Monaten seiner Amtszeit umgesetzt?"

Tages-Anzeiger (CH) /

Zeit geschunden für einen geordneten Grexit

Der jüngste Kompromiss in der Griechenlandkrise dient, wie bereits die Einigungen zuvor, einzig und allein dem Zeitgewinn, meint der linksliberale Tages-Anzeiger: "Um die Illusion einer späteren Lösung aufrechtzuerhalten, hat man bisher stets Prognosen zu Griechenland verfasst, die sich im Nachhinein als viel zu optimistisch herausstellten. Die in der Einigung enthaltene Absicht, durch den Verkauf von griechischem Staatseigentum unter Gläubigeraufsicht 50 Milliarden Euro einzunehmen, passt dazu. Schon die bisherigen Verkaufs­pläne haben kaum etwas eingebracht ausser eine erhebliche Demütigung der Griechen. Der wahre Zweck der Einigung ist vermutlich einmal mehr bloss, sich erneut Zeit zu verschaffen. Diesmal allerdings, um einen geordneten Austritt Griechenlands vorzubereiten."

Wiener Zeitung (AT) /

Deutsche Besserwisser vergiften guten Deal

Die Einigung zwischen Athen und seinen Geldgebern ist insgesamt eine gute Sache - die Art und Weise, wie Deutschland diese durchgesetzt hat, war aber falsch, klagt die liberale Wiener Zeitung: "Der 'Deal', auch wenn er als 'Staatsstreich' bezeichnet wird, umfasst beide Seiten der Notwendigkeiten Griechenlands: mehr Geld (und Zeit) sowie Reformen, um die Kaufkraft im Land zu steigern. Das politisch Unsympathische daran ist die Art und Weise, wie Deutschland politisch vorgegangen ist. Ob Finanzminister Wolfgang Schäuble den teutonischen Bösewicht so übertrieben darstellen musste, ist nicht ganz klar. Dass Frankreich nicht eine stärkere Rolle zugedacht wurde, ist ebenfalls eher unklug. Denn nun hat die Griechenland-Einigung den unangenehmen Beigeschmack, dass die Deutschen immer die Besserwisser sein müssen und neben sich in der Eurozone niemanden dulden. Den 'Grexit' nicht zuzulassen, war goldrichtig. Aber als Regisseure der Eurozone sind die Deutschen grottenschlecht."

Dnevnik (SI) /

Wer ist hier Faust und wer Mephisto?

Schwer zu sagen, wer in den letzten Tagen des griechischen Schuldenstreits die Rolle des Doktor Faust und wer die des Mephisto eingenommen hat, urteilt die linksliberale Tageszeitung Dnevnik: "Die Frage ist nicht, wofür jemand bereit war, seine Seele zu verkaufen, sondern wer seine Seele verkauft hat. Die Eurozone, die gemeinsam mit EZB und IWF das Vertrauen in die geltenden Regeln verraten hat, um nach außen hin die Vitalität des EU-Projektes zu wahren? Griechenland, das mit den Verbrechern um eine Finanzspritze feilt, die durch das Referendum zurückgewiesen wurden? Oder steckt Mephisto hinter dem Kapital, das mit einer Hand gibt und mit zweien nimmt? Sind die aufgedrängten Reformen der politische Versuch, in der EU den Neoliberalismus über den Wohlfahrtstaat siegen zu lassen?"