Steinmeier übt scharfe Kritik an Nato-Manöver

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die Nato-Großübung in Polen als "Säbelrasseln und Kriegsgeheul" kritisiert und vor weiterer Abschreckungspolitik gewarnt. Spielt er damit Moskau in die Hände?

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Zeit Online (DE) /

Westen sollte Krim-Annexion anerkennen

Der deutsche Außenminister hat Recht, wenn er vor einem Säbelrasseln der Nato gegenüber Russland warnt, meint Theo Sommer in seiner Kolumne für Zeit Online:

„Wo bleibt in der praktischen Politik des Westens der Dialog? Nach der Annexion der Krim wurde aberwitzigerweise das Gespräch im Nato-Russland-Rat abgebrochen - als müsse man nicht erst recht miteinander reden, wenn die Dinge schwierig werden. ... Der Westen hat dabei einen Trumpf in der Hand: Er könnte die Annexion der Krim anerkennen, wenn Putin im Gegenzug dafür genug böte. ... Kein Kremlherrscher wird sie je wieder hergeben, auch wenn der Westen deswegen noch 50 Jahre lang Sanktionen verhängt. Besser denn zu versuchen, für die zähneknirschende Hinnahme der Annexion auf diplomatischem Wege eine Sicherung des Status quo im übrigen Europa zu erlangen, ist eine umfassende Regelung, die der eigenen Wehrfähigkeit keinen Abbruch tut, aber das Fundament für eine langfristige Politik der Entspannung, des Ausgleichs und der Zusammenarbeit legt. Aber soweit ist Frank-Walter Steinmeier noch nicht. Noch ist die Zeit nicht reif dafür.“

Der Standard (AT) /

Steinmeier schwächt die Nato

Mit seiner Kritik am Manöver an Russlands Grenze schwächt der Bundesaußenminister EU und Nato, warnt Der Standard:

„Das Bündnis wollte Russland nach dessen hybridmilitärischer Aggression in der Ukraine demonstrieren, dass die Mitglieder in Osteuropa geschützt werden. Zuvor hatte sich gezeigt, dass die von Berlin mitgetragenen EU-Sanktionen nach der Annexion der Krim in Moskau nicht wirkten. Steinmeiers Volte, die in Nato wie EU prompt für Irritation sorgte, weil er den Westen als Aggressor zeichnet, dürfte starke innenpolitische Motive haben. Die SPD möchte sich ein Jahr vor den Wahlen vom Koalitionspartner absetzen. Nicht zufällig rief SPD-Chef Sigmar Gabriel zeitgleich mit heftiger CDU-Schelte zur Solidarallianz 'gegen rechts' auf. Er meint Grüne und die Putin-freundliche Linkspartei, ein rot-rot-grünes Bündnis. Gabriel reist selbst bald zu Wladimir Putin. Der Herr des Kreml kann zufrieden sein: Er spaltet Berlin politisch, Steinmeier schwächt EU und Nato.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Wichtiges Militärmanöver gegen hybriden Krieg

Lob kommt von der taz insbesondere dafür, dass die Nato Bürgerwehren in das Manöver einbezieht:

„In allen Ländern der Nato-Ostflanke entstanden bewaffnete Bürgerwehren, die regelmäßig den Kampf gegen 'grüne Männchen' - fremde Truppen ohne Hoheitsabzeichen wie im Ukraine-Krieg - üben. So ist es auch kein Wunder, dass das Kriegsszenario für Anakonda 16 dem hybriden Krieg auf der Krim und der anschließenden widerrechtlichen Annexion durch Russland bis aufs Haar gleicht. ... Wer nicht will, dass an der Ostgrenze von EU und Nato durch eine der zahlreichen russischen Provokationen oder eine Fehlreaktion ein hybrider Krieg ausbricht, muss dieses Großmanöver gutheißen. Es baut Vertrauen bei den Bündnispartnern auf. Ein Teil der Bürgerwehren wird zum ersten Mal miteinbezogen in die Übungen, so dass zum einen Befehlsstrukturen klar werden, zum anderen aber die Gefahr gebannt werden kann, die von zunächst harmlos erscheinenden 'kleinen Scharmützel' für alle ausgehen kann.“

Polityka (PL) /

Ohne die USA geht offenbar nichts

Das Manöver zeigt, wie sehr Europa in den Auseinandersetzungen mit Russland auf die USA angewiesen ist, erklärt Marek Świerczyński auf seinem Blog beim Nachrichtenmagazin Polityka:

„Die größten Übungen seit dem Beitritt Polens zur Nato sollen zeigen, dass die Gemeinschaft oder zumindest ihre größten Mitgliedsländer in der Lage und auch gewillt sind, ihre Ostflanke zu verteidigen. Praktisch bedeutet dies, dass die US-Amerikaner die einzige Hoffnung für das Bündnis sind. Deshalb haben sie in Polen auch freie Hand für ihr Handeln erhalten. ... Es ist nicht verwunderlich, dass angesichts der relativ zurückhaltenden Beteiligung der westeuropäischen Länder die US-Armee diese historischen Manöver auf polnischem Boden dominiert. Allerdings finden einige Verbündete, dass der Aufmarsch von mehr als zehntausend Soldaten an der Grenze zu Russland unmittelbar vor dem Nato-Gipfel ein allzu provozierendes, unnötiges und deshalb auch schädliches Signal Richtung Moskau ist.“