Hat Merkel einen Plan gegen den Terror?

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hat in einer Pressekonferenz betont, ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik treu zu bleiben. Angesichts der Anschläge in den vergangenen Wochen präsentierte sie einen Neun-Punkte-Plan gegen Terror. Einige Kommentatoren loben Merkels Auftritt als mutig und beruhigend. Andere kritisieren, dass von einem Plan keine Rede seine kann.

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Le Temps (CH) /

Deutsche Coolness besser als Frankreichs Hektik

Die besonnene Reaktion Berlins auf die jüngsten Gewalttaten ist aus Sicht von Le Temps angebrachter als die Pariser Panikmache:

„Der Auftritt der Kanzlerin ist sowohl mutig als auch beruhigend. Angesichts dieses ersten Terror-Stresstests - wagt man den Vergleich mit der Bankenwelt - im Zeitalter des globalen Dschihads hält Deutschland gut stand. ... Die Entwicklung der Debatte in Frankreich, das deutlich stärker getroffen wurde, offenbart ernsthafte Risiken, dass das Land in einen Ausnahmezustand abgleitet, in dem Hektik, Emotion und Hass über entschlossenem und vernunftgeleitetem Vorgehen gegen die Verbrecher stehen. Von einem Bürgerkrieg zu sprechen, wie es einige rechte Stimmen tun, ist gefährlich. Denn genau das ist das Ziel der Terroristen.“

Der Standard (AT) /

Merkels hilfloses Beruhigen

Die Bundeskanzlerin kann im Moment nur abwarten und hoffen, dass in Deutschland bald wieder Ruhe einkehrt, glaubt Der Standard:

„Es klingt wie singen gegen die Angst und die Hilflosigkeit. Selbstverständlich ist Merkel persönlich nicht für all das Schreckliche verantwortlich, was in Deutschland passiert - nicht einmal, wenn es die Tat eines Flüchtlings ist. Aber viele Menschen in ihrer Angst und Wut sehen es leider anders. Und auch Merkel weiß, dass sie im Moment nichts Konkretes tun kann. Die eine Stellschraube, an der zu drehen wäre, gibt es nicht und wird es nie geben - auch wenn es Populisten glauben machen wollen. Der deutschen Bundeskanzlerin bleibt fürs Erste nichts anderes übrig, als weiterzumachen, für mehr Polizei zu sorgen und zu hoffen, dass nach den schrecklichen Taten, die nun auch in Deutschland passiert sind, erst einmal wieder Ruhe einkehrt.“

Frankfurter Rundschau (DE) /

Leider kein Signal des Aufbruchs

Wieder machte dieser Auftritt den Kontrast zwischen der Unruhe im Land und dem Stil der Kanzlerin mit Händen greifbar, meint die Frankfurter Rundschau zu Merkels Auftritt:

„Ihre manchmal fast roboterhafte Sachlichkeit hat sich von der Realität noch weiter entfernt. Das Land spürt, dass es nicht mehr genügt, ein Sicherheitsgesetz hier und eine Asylverschärfung dort zu 'erarbeiten' (Merkel zählte sie reihenweise auf), damit wir alle so weiterleben können wie bisher. Deutschland ist mit einem gehörigen Schrecken aufgewacht, aber die Kanzlerin singt ihre Schlaflieder weiter. Und darin liegt ihr Scheitern. Dieser Moment der Terrorangst wäre der Anlass gewesen, das mit beruhigenden Worten verbundene Verwalten des 'Weiter so' durch ein Signal des Aufbruchs zu ersetzen. ... Es hätte auch dazu gehört, eine gemeinsame nationale Anstrengung für Konfliktprävention und Integration nicht nur zwischen einer langen Latte repressiver Maßnahmen zu erwähnen, sondern in den Mittelpunkt zu stellen.“

La Repubblica (IT) /

Wider die Logik der Angst

Merkels sendete auch eine klare Botschaft an Europa, analysiert die La Repubblica:

„Mit ihrer Botschaft wendet sich Merkel explizit auch an Europa und seine Führungskräfte. Nach dem Brexit-Referendum ist die Krise der Politik und der Werte vor dem Hintergrund kaum verhohlener Ausländerfeindlichkeit an einem Punkt angelangt, der keinen Raum mehr für Kompromisse lässt. Einige Prinzipien, sagt Merkel, sind in der Demokratie nicht verhandelbar. Während an den Außengrenzen die großen Nachbarn Europas, Russland und die Türkei, eine besorgniserregende antidemokratische Rückentwicklung erleben, kann Europa der Logik der Angst innerhalb seiner Grenzen keine Zugeständnisse mehr machen. Eine Logik, die von den Populisten genährt wird. Und die Regierungen, die diesen Gespenstern folgen, von Polen über Ungarn nach Tschechien, können sich nicht länger im Glauben wähnen, in den anderen europäischen Hauptstädten auf Verständnis zu stoßen.“