Obama verabschiedet sich von Europa

US-Präsident Obama besucht seit Mittwoch Berlin und trifft sich dort mit Kanzlerin Merkel. Seine Abschiedstour durch Europa führte ihn zuvor nach Athen, wo er Griechenland als Wiege der Demokratie bezeichnete und einen Schuldenschnitt für das Land forderte. Kommentatoren diskutieren, welche Welt Obama nach acht Jahren Präsidentschaft hinterlässt.

Alle Zitate öffnen/schließen
La Vanguardia (ES) /

Ex-Präsident wird Ansehen der USA hochhalten

Obama hat in seiner Rede in Athen die richtigen Worte gefunden, lobt La Vanguardia:

„Im Schatten der Akropolis und im Schatten von Donald Trump skizzierte Obama die drei Achsen, um die sich die Welt in diesen unsicheren Zeiten drehen sollte: Demokratie ist das beste System, um wirtschaftliches Wachstum zu garantieren. Die Rückkehr in die Vergangenheit ist kein Gegenmittel für die Globalisierung. Alle Regierenden sollten es sich zur Aufgabe machen, gegen die wachsende soziale Ungleichheit zu kämpfen, die dem Populismus Aufwind gegeben hat. ... Obamas moralische Glaubwürdigkeit, seine klare Rhetorik und die Konjunktur verleihen seiner Rede Gewicht. ... Er tröstete mit seiner Würdigung Griechenland, dessen Bevölkerung Opfer eigener Exzesse aber auch feindlicher Wirtschaftskräfte wurde. Obama kann als Ex-Präsident mit seinem internationalen Prestige für viele gerechte Sachen einstehen und das Ansehen seines Landes im Ausland hochhalten.“

La Repubblica (IT) /

Große Worte von bitteren Fakten widerlegt

Obamas großartige Rede kann leider nicht über die Realität hinwegtäuschen, bedauert der Diplomat und Schriftsteller Roberto Toscano in La Repubblica:

„Die Verteidigung der Demokratie, die zugleich eine Verteidigung der eigenen acht Jahr Präsidentschaft ist, wird in einem Moment ausgesprochen, in dem die von Obama dargelegten pluralistischen und demokratischen Prinzipien weltweit angegriffen und beschädigt werden. ... Obama ist von jemandem besiegt worden, der nicht nur als Anti-Obama definiert werden kann, sondern als antidemokratisch und illiberal bezeichnet werden muss. ... Die Niederlage von Obama ist die Niederlage des großen Projekts der liberalen Demokratie und des sozialen Kapitalismus. Wie die Basis für eine politische und moralischen Genesung geschaffen werden kann, ist schwer vorstellbar, doch eines ist sicher: Die Demokratie kann ihre Feinde, sowohl die Gewalttäter als auch die Betrüger, nicht nur auf Basis der intellektuellen Überlegenheit besiegen. Es bedarf auch der politischen Leidenschaft.“

Proto Thema (GR) /

Auch Obama wird keinen Schuldenschnitt bringen

Obama hat sich in Athen für einen Schuldenschnitt für Griechenland ausgesprochen. Proto Thema warnt jedoch vor zu viel Enthusiasmus angesichts dieser Forderung:

„Obama sagte das Selbstverständliche, nämlich dass eine kontinuierliche Sparpolitik nicht zum Wachstum führen kann. Wachstum ist aber wichtig für das Wohlergehen der Menschen und es ist nötig, dass unsere Schulden reguliert werden - aber nur, wenn wir die unerlässlichen schmerzhaften Reformen fortsetzen. Er hat es sehr gut ausgedrückt. Aber es gibt ein kleines Detail: Die USA haben uns nicht einen einzigen Dollar geliehen. Die Schulden in Höhe von 330 Milliarden Euro schulden wir unseren europäischen Kreditgebern, und den größten Teil davon Deutschland. Es ist einfach, Wünsche auszudrücken und Ratschläge an die Kreditgeber zu erteilen, wenn es um das Geld der anderen geht. Das Entscheidende aber ist, was die Kreditgeber selbst denken und wie sie dies ihren Bürgern erklären, deren Geld sie uns geliehen haben.“

Večer (SI) /

Athen als Reiseziel strategisch gewählt

Der scheidende US-Präsident hat aus pragmatischen Gründen Athen als Ziel seiner Abschiedsreise gewählt, meint Večer:

„Das wirtschaftlich erschöpfte Griechenland ist ein wichtiger geostrategischer Partner der Nato und der USA. Das verarmte Land stellt für das Militär proportional noch immer das meiste Geld unter den europäischen Nato-Mitgliedern bereit, ganze 2,7 Prozent des BIP. Die Türkei unter dem autoritären Erdoğan wird immer unberechenbarer. Deshalb ist das Bündnis mit Griechenland wichtiger. Griechenland ist die Verbindung der USA zum Liebling Israel und zum schwierigen Nordafrika. Obama will nicht, dass Griechenland angesichts der finanziellen Schulden und auch wegen des Flüchtlingsstroms kollabiert. Obamas Treffen mit dem Präsidenten Prokopis Pavlopoulous und Regierungschef Alexis Tsipras sollte dazu dienen, der griechischen Führung Mut für das Ausharren auf dem schwierigen Weg aus der Rezession zu geben.“