Was uns 2017 erwartet

Im kommenden Jahr wird in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland gewählt und die Verhandlungen um den Brexit starten. Journalisten blicken jedoch nicht nur mit düsteren Erwartungen für Europa auf 2017.

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Blog euinside (BG) /

EU sagt Propaganda den Kampf an

Der Aufstieg der Populisten in Europa hat 2016 seinen Höhepunkt erreicht, 2017 müssen die anderen Parteien den Kampf gegen sie aufnehmen, fordert Adelina Marini im Blog Euinside:

„Der Populismus baut auf dem Verfälschen von Fakten oder auf dem bewussten Streuen von Unwahrheiten auf. 2017 wird die EU den Fake-Nachrichten, den Mythen, den Unwahrheiten und der Propaganda den Kampf ansagen. Dieser Kampf läuft zwar schon seit einer Weile, ist aber weitgehend unkoordiniert. Er äußerte sich bisher eher in spontanen Aktionen und Reaktionen der Öffentlichkeit. Durch den Brexit und die Wahl von Donald Trump sind die Masken der Populisten gefallen. Das ist ein entscheidender Schritt im Kampf gegen sie, ist aber auch eine Herausforderung für die traditionellen Parteien, die scheinbar nicht in der Lage sind, den Wählern Alternativen zu bieten. Ihr größter Fehler wäre es, den Wählern mehr von dem zu bieten, was sie ihnen schon seit Jahrzehnten bieten. Es müssen neue Lösungen her.“

Verslo žinios (LT) /

Wirtschaftskrise unwahrscheinlich

Warum im Jahr 2017 keine Wirtschaftskrise in den Ausmaßen jener von 2008 eintreten wird, erklärt der Ökonom Gitanas Nausėda von der SEB-Bank in der Wirtschaftszeitung Verslo žinios:

„Erstens ist das heutige Bankensystem in ganz anderer Stimmung als vor zehn Jahren. Damals war das Kreditportfolio der Banken voller Löcher, ihr Ziel war es, sich hinter Barrikaden von Geldsäcken zu verstecken und so den Ausbruch des Finanz-Vulkans zu überleben. Jetzt warten aber nicht die Banken ab, sondern ihre Kunden. Zweitens haben die Zentralbanken so viel leicht verfügbares Geld auf den Markt fließen lassen, wovon wir 2008 nur hätten träumen können. Das Hauptproblem der Kreditinstitute ist die Frage, wie man mit den heutigen Zinsmargen eine Rendite erreicht, mit der der Kunde zufrieden ist. Eine Ähnlichkeit mit 2008 gibt es aber: Die niedrigen Zinsen haben die passende Umgebung für eine Immobilienblase geschaffen.“

Hospodářské noviny (CZ) /

Ein Jahr, das alles ändern könnte

Wie die Weichen im kommenden Jahr gestellt werden könnten, zeigt Hospodářské noviny auf:

„Wird [Front-National-Chefin] Marine Le Pen französische Präsidentin? Beginnt der Zerfall der Europäischen Union? Wird Donald Trump mit seinem nächsten Tweet einen kleineren Krieg auslösen? Ähnliche Fragen stellen wir uns in jedem Jahr, doch dieses ist anders. Als erster könnte im März der [niederländische] Populist Geert Wilders den Sessel des Premiers erobern. Le Pen plant so schnell wie möglich ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft. Zwischendurch kann noch die neue Regierung in Italien scheitern; neue Wahlen könnte der Komiker Grillo [vom Movimento Cinque Stelle] gewinnen. Den Höhepunkt in Europa erleben wir am 22. Oktober, wenn die Deutschen wählen. Angela Merkel ist wieder Favoritin, aber sie kann mit ihrer Flüchtlingspolitik der [national-konservativen] AfD mehr als zehn Prozent Wähler zutreiben. Alles in allem haben wir ein Jahr vor uns, dass vieles ändern könnte.“

Denník N (SK) /

Terror, Brexit, Populismus

Konkrete Vorhersagen für 2017 wagt Dennik N:

„Merkel wird erneut Bundeskanzlerin, aber die [national-konservative] AfD kann zweitstärkste Kraft werden. Nach langen Verhandlungen wird alles wieder auf eine Große Koalition [mit den Sozialdemokraten] hinauslaufen. ... Die Parlamentskammern der Briten werden den Brexit-Artikel 50 ziehen, ungeachtet der Warnungen von Ökonomen. ... [Front National-Chefin] Le Pen war der Präsidentschaft nie so nahe, und doch wird die Populistin gegen [den konservativen Kandidaten] Fillon verlieren. ... Der Krieg in Syrien wird nicht aufhören. Das bringt neue, aber weniger Flüchtlinge nach Europa. Je mehr der IS auf dem Schlachtfeld unter Druck gerät, desto mehr wird er in Europa die Kraft seines Terrors zeigen. ... Trump wird nicht groß überraschen. Er wird seine Wahlkampfversprechen durchsetzen, aber nicht in ihrer extremen Form.“

Irish Independent (IE) /

Vorsicht mit den Vorhersagen

Politische Prognosen für das Jahr 2017 sind nach Ansicht des Journalisten Andrew Rawnsley hingegen mit Vorsicht zu genießen. Denn das neue Jahr dürfe mit Wahlen in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden, mit Trumps Amtsantritt und dem Beginn der Brexit-Verhandlungen nur noch unvorhersehbarer werden als 2016, schreibt er im Irish Independent:

„Ob die Zukunftsprognosen tendenziell eher optimistisch oder pessimistisch ausfallen, sagt mehr über die jeweilige Persönlichkeit aus, als über das tatsächlich bevorstehende Geschehen. Denn sind wir mal ehrlich: Niemand sollte sich nach einem Jahr 2016, das die Erwartungen von Experten, Meinungsforschern, Finanzmärkten und Wählern immer wieder erschüttert hat, schrecklich überzeugt zeigen, irgendetwas mit Bestimmtheit zu wissen. Die einzige unerschütterliche Vorhersage, die ich für das Jahr 2017 machen werde, ist, dass vernünftige Leute wesentlich vorsichtiger mit Vorhersagen sein werden.“

hvg (HU) /

Das Ende der Politik

Wir steuern auf Zeiten zu, die fast ausschließlich von Vorurteilen, Fremdenhass und Unvernunft beherrscht werden, prognostiziert der Philosoph Gáspár Miklós Tamás in der Wochenzeitung hvg:

„Es gibt keine Politik mehr - Politik ist ein sich aus den Gegensätzen und Debatten des Volkes speisendes, rationales, selbstkontrollierendes, öffentliches Regieren –, sondern es gibt nur noch den Markt und systematisierte Gewalt. Da das insbesondere in den ausgebeuteten, armen Ländern nicht ausreicht, muss es um den als 'Religion' und 'Rassenhass' bezeichneten Wahn ergänzt werden, damit die Handlungsunfähigen das Gefühl bekommen (irrigerweise und vergeblich), dass sie handeln. … Es wüten heute die Voreingenommenheit, die Intoleranz, die Unvernunft und der Egoismus. Und was schlägt die erstarkende Rechte in dieser Situation als Medizin vor: noch mehr Voreingenommenheit, Intoleranz, Unvernunft und Egoismus, mit buchstäblich explodierendem Erfolg.“

Jutarnji list (HR) /

Schlimmer kann es kaum kommen

Für die Europäische Union lief es in diesem Jahr so schlecht wie nie zuvor, resümiert Jutarnji list:

„Terroranschläge, das Versagen bei der gemeinsamen Steuerung der Flüchtlingskrise, die Briten, die die EU verlassen wollen, und die Niederländer, die das EU-Abkommen mit der Ukraine ablehnen: Es ging alles schief. Die Idee der Erweiterung und Integration, die so alt ist wie die EU selbst, wurde umgekehrt. Was bisher als heilige Errungenschaft und Stolz der EU galt, wie die Bewegungsfreiheit ohne Grenzkontrollen im Schengenraum, ist gefährdet. Der gerechten Verteilung der Flüchtlinge verweigern sich viele Mitgliedsstaaten, zwei [Slowakei und Ungarn] klagen sogar dagegen. Und zu alledem sind wir in der Flüchtlingsfrage vollkommen abhängig von der Türkei unter der Führung ihres unberechenbaren Sultans Erdoğan. ... Für 2017 bleibt nur die Hoffnung, dass es trotz Brexit, Trump und nationaler Wahlen in populistischer Hysterie nicht noch schlimmer wird als dieses Jahr.“

Landesecho (CZ) /

Es wird ein großartiges Jahr!

Auf das kommende Jahr blickt Kommentator Luboš Palata im deutschsprachigen Prager Landesecho und scherzt, dass dieses das beste seit der Jahrtausendwende werden wird:

„Donald Trump wird doch nicht US-Präsident werden, weil eine Kontrolle der Wahlzettel zeigt, dass 99 Prozent seiner Stimmen von einem Computervirus aus einem Vorort von Pjönjang stammten. Großbritannien ignoriert den Brexit und beantragt unter dem Jubel der Briten, der Euro-Zone beizutreten. Marine Le Pen kommt nicht mal in die Stichwahl. Angela Merkel gewinnt die Bundestagswahl so klar, dass sie selbst ohne die bayerische CSU regieren kann. In der Türkei wird der zweite Putsch gelingen und Erdoğan lebenslang nach Turkmenistan verbannt. Wladimir Putin wird merken, dass man keine Brücke zur Krim bauen kann und die Halbinsel enttäuscht an die Ukraine zurückgeben. Kurz vor Heiligabend tritt Tschechiens Präsident Zeman zurück. Seine Gegner widmen ihm zum Dank 250 Liter vom besten Slivovice, die bis Silvester reichen dürften.“