Macron gewinnt die Gunst der Franzosen

Emmanuel Macron liegt in den Umfragen mit 26 Prozent erstmals vor Marine Le Pen. Damit würde der Kandidat der Bewegung En Marche! als Spitzenreiter in die zweite Runde der französischen Präsidentschaftswahl gegen die Front-National-Chefin gehen. Ist Macron nur ein Schwätzer oder kann er tatsächlich den Aufschwung der Rechten stoppen?

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Corriere del Ticino (CH) /

Kandidat verführt mit narzisstischem Gerede

Ein selbstverliebter Schwätzer ist Macron nach Ansicht von Corriere del Ticino:

„Er ist die politische Verschwommenheit in Person. Hinter seinen Slogans steckt so gut wie nichts. ... Er ist ein modernes Produkt des politischen Marketings, doch er trifft den Nerv einer desorientierten Wählerschaft der Mitte, die Le Pen und ihre Rezepte fürchtet. Macron, ein ehrgeiziger Staatsbeamter, der es vom Finanzdirektor im öffentlichen Dienst, über den Posten des skrupellosen Investmentbankers bei Rothschild zur rechten Hand Hollandes und zum sozialistischen Minister gebracht hat, besitzt den Fehler der Ambiguität. ... Für seine Wahlkampagne hat der Ex-Sozialist die Bewegung En marche! erfunden und ein Buch geschrieben (Révolution). Es strotzt nur so von Narzissmus und von leerem Gerede.“

Cinco Días (ES) /

Macron muss Europa retten

Die Zukunft Europas hängt nun von Macron ab, schreibt hingegen Cinco Días und lobt sein mutiges Auftreten:

„Macron hat seine Wahlkampagne in den Arbeitervierteln mit vielen Arbeitslosen und Einwanderern begonnen, den Hochburgen des Front National. Und anstatt dort die Urängste der Franzosen zu schüren, trat er mit einem ungewohnten Diskurs auf: Die Einwanderer tragen keine Schuld, sagt er, und ihre Ausweisung werde nichts lösen. Stattdessen müsse man die sozialen Dienstleistungen und die Regeln reformieren, um die gemeinsamen Interessen zu wahren. Macron hat den neuen US-amerikanischen Protektionismus kritisiert, während die Mehrheit der europäischen Politiker (abgesehen von einigen löblichen Ausnahmen) geschwiegen hat. ... Jetzt scheint er in der Lage, Le Pen in der zweiten Runde zu besiegen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Zukunft Europas an diesem seidenen Faden hängt.“

Le Figaro (FR) /

Exzellente, aber riskante Strategie

Die politische Wandlungsfähigkeit ist Macrons Stärke, jedoch auch seine Achillesferse, warnt der frühere Botschafter Tunesiens bei der Unesco, Mezri Haddad, in Le Figaro:

„Allen Ideologien, Werten, Kategorien, Berufen und sozialen Schichten nachzujagen, um an die Macht zu gelangen, ist als Taktik verständlich. Das ist der Kern der Demokratie, seitdem den Athenern die verhängnisvolle Idee kam, diese trotz der Warnungen von Sokrates und der Weisungen Platons zu erfinden. In der Demokratie sind alle Stimmen gleichwertig, selbst wenn sie auseinanderklaffen! … Alles und dessen Gegenteil zu sein, ist ein Zeichen von Fortschritt in diesen Zeiten des Niedergangs. Es zeugt von Genie in diesen Tagen der moralischen, intellektuellen und politischen Leukämie und bringt etwas Licht in unsere aufklärungsferne Epoche. Will man jedoch alles sein, endet man als Nichts, es sei denn, es handelt sich um eine Kreation aus dem Nichts, erschaffen von verborgenen Königsmachern und Wegbereitern der permanenten Revolution.“

Dagens Nyheter (SE) /

Mitreißend und begeisternd

Dagens Nyheter vergleicht Macron mit einem anderen Politiker in Übersee:

„Macron ähnelt in vielem Kanadas Premier Justin Trudeau. ... Trudeau errang die Macht 2015 als Hoffnungsträger, dank seiner Ausstrahlung und ohne nennenswerte politische Erfahrung. Er will, dass Kanada ein offenes Land ist und setzt sich für Gleichstellung und für die Rechte der Urbevölkerung ein. Was seine Politik konkret beinhaltet - abgesehen von einem weitaus angenehmeren Gesellschafts- und Debattenklima - war und ist freilich ein wenig unklar. ... Trudeau und Macron sind die neuen Stars des Liberalismus, sie setzen aufs Gefühl und gehen die Dinge sportlich an. Sie klammern sich nicht an vorbereitete Stichpunkte, sondern spielen ihren Charme aus. Die Kritiker haben Recht, wenn sie sagen, es sei mehr Inhalt vonnöten. Aber wie auch immer: Die beiden begeistern und reißen mit. Und genau das braucht der Liberalismus im Westen jetzt.“

Público (PT) /

Macron könnte Europa wiederbeleben

Als einzigen proeuropäischen Präsidentschaftskandidaten in Frankreich sieht Público Macron:

„Die Wahl in Frankreich gilt als entscheidender Test für das Überleben der EU - und ein Sieg von Marine Le Pen als ihr angekündigter Tod. Der Sieg Macrons wäre eine Gelegenheit, den Geist des europäischen Projekts in diesen Zeiten des 'Trump-Wahnsinns' und der erklärten Feindschaft gegenüber der EU wiederzubeleben. Macron ist zweifellos der proeuropäischste aller Kandidaten in Frankreich - sei es links oder rechts - wenn nicht sogar der einzige wirklich proeuropäische Kandidat. Er könnte den deutsch-französischen Motor wieder in Schwung bringen, vielleicht sogar im Doppelpack mit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. ... Laut einigen Meinungsumfragen gilt Macrons proeuropäische Einstellung in der Tat als einer seiner wichtigsten Vorzüge - abgesehen natürlich von der Tatsache, dass er keiner politischen Partei angehört.“

Aamulehti (FI) /

Frischer Liberalismus gegen Rechtspopulismus

Macron könnte dem rechtsradikalen Populismus in Europa den Wind aus den Segeln nehmen, hofft Aamulehti:

„Wenn ein politisches Erdbeben vermieden wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass in der zweiten Runde Marine Le Pen gegen Emmanuel Macron antritt. Das wäre auch inhaltlich eine 'richtige' Wahlmöglichkeit, denn Le Pen, von der britischen EU-Austrittsentscheidung inspiriert, hat auch den Franzosen versprochen, dass sie in einem Referendum über die weitere EU-Mitgliedschaft ihres Landes werden abstimmen können. … Macron wiederum ist überzeugter Europäer und außerdem ein neuartiger Liberaler, mit leichter Tendenz nach links. Die EU ist in einer Zeit in Ungnade gefallen, in der die Bürger den Glauben sowohl in die traditionelle Linke als auch die moderate Rechte verloren haben. Ein frischer neuer Liberalismus kann durchaus eine Möglichkeit sein, den europäischen Gedanken zu retten sowie den endgültigen Durchbruch des rechtsradikalen Populismus zu verhindern.“