Juncker verzichtet auf zweite Amtszeit

Jean-Claude Juncker will nicht erneut für den EU-Kommissionsvorsitz kandidieren. In einem Interview warnte er vor einem Auseinanderbrechen der Union angesichts der Brexit-Verhandlungen und forderte Einigkeit gegenüber dem neuen US-Präsidenten. Einige Medien hoffen auf frischen Wind in Brüssel, andere loben den scheidenden Kommissionspräsidenten für seinen Altruismus.

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Der Standard (AT) /

Kommissionspräsident will EU aufrütteln

In seiner Ankündigung hat Juncker ein düsteres Bild der Union gezeichnet, bis hin zu ihrem Zerfall. Der Standard glaubt, dass er damit die Staats- und Regierungschefs aufrütteln wollte:

„Der frühere 'ewige' Ministerpräsident von Luxemburg und langjährige Chef der Eurogruppe kennt alle ... Tricks. Er wirkte schon länger müde, etwas desillusioniert. Die nicht enden wollende 'Multikrise' in der Union seit 2008 hat ihm zugesetzt. Noch mehr aber irritiert den Vertreter eines geeinten, versöhnten und politisch integrierten Europa, dass 'seine' Regierungschefs in der Tafelrunde bei den EU-Gipfeln ihn und die Kommission, das Gemeinsame, permanent hängenlassen. Statt sich darauf zu konzentrieren, wie man sich als Union aus der Misere herausarbeitet, statt den 'EU-Zerstörern' konstruktiv etwas entgegenzusetzen, setzten immer mehr Länder auf Egoismus und Nationalismus. Es scheint, als wollte Juncker ultimativ sagen: Mir geht es nicht (mehr) um mich, wacht auf, kämpft um die EU.“

Le Monde (FR) /

Union braucht frische Führungskräfte

Auf Juncker muss eine neue Generation an der Spitze der EU folgen, fordert Le Monde:

„Juncker leitet seit 2014 eine Kommission, die politischer, weniger konservativ, weniger technokratisch und weniger deutsch ist. … Doch das genügt nicht. Das Europa, das derzeit das 25-jährige Bestehen des Maastricht-Vertrags feiert, der den Euro hervorgebracht hat, und auch den 60. Jahrestag der Verträge von Rom, die den Gemeinsamen Markt geschaffen haben, ist nicht nur schwierig umzusetzen, sondern sogar unerreichbar. … Mit der Welt von Juncker, der Ende der 1980er Jahre als junger Finanzminister an den Verhandlungen von Maastricht teilnahm, geht es zu Ende. Die alte Garde muss von einer neuen Generation abgelöst werden, die einen frischen Blick hat, aber nicht die Erinnerungen an tausende seit einem Vierteljahrhundert in Brüssel geschmiedete Kompromisse, die für nichts anderes stehen als für eine Blockade.“