Ein Jahr Flüchtlingsdeal mit der Türkei

Das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei gerät ein Jahr nach seinem Inkrafttreten erneut in den Fokus der Presse. Journalisten diskutieren, was der Deal gebracht hat, und bezeichnen die Asylpolitik Europas als unmenschlich.

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Spiegel Online (DE) /

Menschenunwürdigen Deal aufkündigen

Die EU sollte den Flüchtlingsdeal mit der Türkei aufkündigen, denn er ist ebenso unwirksam wie menschenunwürdig, meint Spiegel Online:

„Die Menschen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak hält weniger der Deal von der Flucht nach Nordeuropa ab, sondern vielmehr die Aussicht darauf, irgendwo auf dem Weg stecken zu bleiben. Griechenland hat seine Inseln in Freiluftgefängnisse für Geflüchtete verwandelt. Fast alle Staaten auf dem Balkan haben ihre Grenzen mit Zäunen abgeriegelt. Ungarn interniert Flüchtlinge auf unbestimmte Zeit. Europas Abschottungspolitik hat die Flüchtlingskrise nicht gelindert - im Gegenteil: Das Leid der Schutzsuchenden ist gewachsen -, aber sie schreckt Menschen ab. Die EU sollte das unwürdige Schauspiel der Türkei beenden und den Deal aufkündigen. Erdoğan hätte in seinem Feldzug gegen die Demokratie ein Argument weniger. Und sie sollte ein menschenwürdiges Asylsystem schaffen, ein System, das Flüchtlingen legale Wege nach Europa bietet.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Verteilungsproblem weiterhin ungelöst

Mit der Kündigung des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei wäre für die EU wenig gewonnen, zumal es auch eigene Versäumnisse kompensiert, analysiert die Neue Zürcher Zeitung:

„Vor allem aber entschärft das Abkommen das politische Problem, dass sich die EU-Staaten bis heute nicht auf eine effektive Verteilung der Flüchtlinge einigen konnten. Nach geltenden Regeln müssen diese in den häufigsten Erstaufnahmeländern, Griechenland und Italien, bleiben, die überfordert sind. Das ist inakzeptabel und unmenschlich. Doch nichts deutet darauf hin, dass sich die EU in absehbarer Zeit auf eine bessere Regel einigen kann. Solange das Türkei-Abkommen funktioniert, fällt diese Misere weniger auf.“