Steht Italien vor Neuwahl?

In Italien verdichten sich die Anzeichen für eine Neuwahl im Herbst. Alle großen Parteien einigten sich auf die Änderung des Wahlrechts, die der Präsident zur Voraussetzung gemacht hatte. Die Mailänder Börse gab daraufhin um 1,5 Prozent nach. Beobachter werten dies als Angst vor unklaren politischen Verhältnissen beziehungsweise davor, dass die populistische Partei Movimento Cinque Stelle stärkste Kraft wird. Auch Kommentatoren halten nicht viel von einem Urnengang.

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Avvenire (IT) /

Problematischer Zeitpunkt

Der Zeitpunkt für eine Neuwahl muss mit Bedacht gewählt werden, mahnt Avvenire:

„Eine Bedingung muss nämlich erfüllt sein: Dass die politische Klasse Verantwortung übernimmt und dabei die wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage nicht aus den Augen verliert. Die Gefahr ist jedoch groß, dass dies geschieht und in dem Fall würde der Haushalt zum Großteil direkt in Brüssel geschrieben. Von wegen Steuersenkungen! Mindestens 15 Milliarden Euro zusätzliche Steuerlast fielen dann über die automatische Erhöhung der Mehrwertsteuer an, was sich negativ auf den Konsum auswirken würde. Das zweite Problem betrifft das Bankensystem. Es geht nicht nur darum, zwei Banken zu retten, sondern zu vermeiden, dass das Misstrauen das gesamte Bankenwesen und damit das gesamte Land erfasst. Die Spekulanten-Geier, die schon nach den Risikoprämien gieren, liegen auf der Lauer und warten nur darauf, dass das Land einen falschen Schritt macht.“

Corriere della Sera (IT) /

Regierungspartei flieht aus der Verantwortung

Warum der Ex-Premier und Vorsitzende der sozialdemokratischen Partito Democatico (PD) die Wähler bald an die Urnen bringen will, erklärt Corriere della Sera:

„Vor allem die PD will nun endlich mit einer politischen Phase abschließen, ohne aber den Tribut für ein massives Haushaltsmanöver zahlen zu müssen. Ihr Ruf zu den Urnen wird somit zur Flucht aus der Verantwortung: Man will den Wählern nicht darlegen müssen, warum nach Jahren, die als Beginn des Aufschwungs beschworen wurden, die Kassen des öffentlichen Haushalts nun doch leer sind. ... Man wird der öffentlichen Meinung den Weg der vorgezogenen Neuwahl jedoch nur schwer erklären können. Dabei bleibt abzuwarten, welchen Preis das Land schließlich dafür bezahlt. Denn nach der Neuwahl hätte Italien ein noch machtloseres Parlament als jetzt und steht gleichzeitig im Visier der Finanzmärkte und Spekulanten.“