Kommt Trump weg vom Spaltpilz-Image?

In seiner Rede in Warschau hat sich US-Präsident Trump zur Beistandsverpflichtung der USA in der Nato bekannt und die russische Außenpolitik scharf kritisiert. Trump trifft den richtigen Ton, sind einige Kommentatoren erleichtert. Andere fürchten angesichts seiner bisherigen Aussagen eine neue Spaltung Europas in Ost und West.

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Rzeczpospolita (PL) /

Überraschend vernünftig

US-Präsident Trump hat mit seiner Rede nicht versucht, die EU zu spalten, meint Rzeczpospolita:

„Wichtig ist, dass der Präsident der USA Kanzlerin Merkel, die Anführerin der Anti-Trump-Fraktion im Westen, nicht angegriffen hat. Er hat in Warschau keinen Keil in die EU getrieben, wie es einige von ihm erwartet hatten. Er hat Polen und die Länder der Region nicht in eine unangenehme Situation gebracht, indem er sie vor die Wahl gestellt hat: Mama (Merkel) oder Papa (Trump). In einer Zeit, in der die Zukunft des Westens unsicher ist, brauchen wir beide verantwortungsvollen Elternteile. Darüber hat auch unser US-amerikanischer Gast bildhaft gesprochen.“

The Daily Telegraph (GB) /

US-Präsident sendet die richtigen Signale

Trumps Rede in Warschau lässt den Daily Telegraph aufatmen:

„Als Donald Trump sein Amt antrat, fürchtete man, dass dieser unorthodoxe Populist ein Isolationist sein würde. Seine gestrige Rede in Warschau erinnerte in ihrem Internationalismus jedoch an [Ex-Präsident] Reagan. Der Präsident sprach über Polens langen Kampf für die Freiheit, lobte den Einsatz der Nato für gegenseitige Verteidigung, verurteilte den Einsatz von Chemiewaffen und forderte vor allem Russland auf, damit aufzuhören, die Ukraine zu destabilisieren sowie Syrien und den Iran zu unterstützen. Dass er all dies in Polen sagte, sendet die richtigen Signale. ... Aber würde Trump einen härteren Ton mit Moskau anschlagen? Es gab gute Gründe, dies zu bezweifeln. ... Was für eine Erleichterung also, ihn nachdrücklich für westliche Interessen einstehen zu sehen.“

Pravda (SK) /

Trump tritt in Rumsfelds Fußstapfen

Donald Trump hat durch seinen Auftritt in Warschau versucht, Europa zu teilen, urteilt Pravda, und fühlt sich an den früheren US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erinnert:

„Im Januar 2003 schoss sich Rumsfeld auf die westeuropäischen Verbündeten ein, die nicht die Vorfreude von George W. Bush auf die Irak-Invasion teilten. Seine Worte über die Spaltung des Kontinents in das 'alte' und 'neue' Europa riefen Entrüstung in Berlin und Paris hervor. ... Parallelen zum Verhalten Trumps sind nicht zu übersehen. Der entfremdete sich von Westeuropa durch seine geschäftsmäßige Haltung zur kollektiven Verteidigung und zuletzt durch seinen Klimakurs. Sein Besuch in Polen am Vorabend des G20-Gipfels hatte keinen anderen Zweck, als den Graben zwischen Warschau und Berlin weiter zu vertiefen. Und [PiS-Chef] Kaczyński teilt seine Absicht, dem 'alten' Europa den ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Verstärkt Trump die Ost-West-Spaltung?

Der US-Präsident könnte seinen Besuch in Polen nutzen, um Europa weiter zu spalten, befürchtet die Neue Zürcher Zeitung:

„Trump spricht vor dem Denkmal des Warschauer Aufstands, das an die dunkelste Stunde der polnischen Geschichte und die deutschen Greueltaten erinnert. Er nimmt zudem an einem Gipfel der 'Drei-Meere-Initiative' teil, einem von Polen und Kroatien initiierten Wirtschafts- und Infrastrukturprojekt, das die Länder zwischen Ostsee, Adria und Schwarzem Meer stärker verbinden soll. Warschau sieht darin auch ein Gegengewicht zur deutsch-französischen Vormacht in der EU. Der Besuch Trumps wird deshalb nicht nur in Polen mit Spannung erwartet. Es besteht durchaus die Gefahr, dass der Präsident ihn nutzt, um den Keil zwischen Ost und West tiefer in die von ihm geringgeschätzte Union zu treiben.“

Il Sole 24 Ore (IT) /

Isoliert sich Polen selbst?

Polen empfängt Trump mit offenen Armen, doch droht das Land sich in der EU weiter zu isolieren, analysiert Il Sole 24 Ore:

„Die polnische Regierung hat für Trump den Drei-Meere-Gipfel organisiert. … Dabei verfolgt Warschau zwei Ziele: Dank der militärischen und wirtschaftlichen Präsenz Amerikas die Sicherheit des Gebiets gegenüber dem zu garantieren, was noch immer als 'russische Bedrohung' empfunden wird. Und sich an die Spitze der Front der Länder zu stellen, die in Opposition zu den 'westlichen Eliten, die in Brüssel kommandieren', das Kräfteverhältnis in der Union umkehren wollen. … Zahlreiche Diplomaten in Brüssel spielen zwar die Bedeutung des Drei-Meere-Gipfels herunter. Doch fürchten sie, dass Trumps Teilnahme an dem Treffen in Europa den Prozess der 'Selbst-Ghettoisierung' vorantreiben kann, den Polen gewählt zu haben scheint.“

Polityka (PL) /

Brüssel ist wichtiger als Washington

Polityka warnt, dass Trumps Besuch auf keinen Fall wie eine Provokation der EU wirken darf:

„Die Opposition sollte alles dafür tun, dass Trumps Polen-Besuch in Europa nicht als Affront gegen die Europäische Union verstanden wird. Unsere Interessen sind im Wesentlichen seit Jahrhunderten die gleichen: Sich nicht in die russische Einflusssphäre drängen lassen und sich an den Westen halten, heute vor allem an die EU, denn in Amerika ist ein isolationistischer und protektionistischer Präsident an der Macht, der regiert wie ein Oligarch. Die einzige sinnvolle Formel der polnischen Außenpolitik sind gute Beziehungen und Zusammenarbeit sowohl mit Brüssel als auch mit Washington. Mit Akzent auf Brüssel.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Warschau will sich von Moskau unabhängig machen

Viele Polen hegen die große Hoffnung, sich durch die USA aus ihrer Abhängigkeit von russischem Gas zu befreien, erklärt die Süddeutsche Zeitung:

„In Zentraleuropa geht es bei Energiepolitik nicht nur um geheizte Wohnzimmer. ... Es geht um Abhängigkeit, Erpressbarkeit, Vertrauen - große Politik also, Bündnispolitik. Deutschland mag vordergründig argumentieren, dass die Ostseepipeline ein rein wirtschaftliches Projekt sei. In Polen und anderen zentraleuropäischen Staaten glaubt man das nicht, nicht zuletzt aufgrund traumatischer historischer Erfahrungen. ... Die Argumente, auch der vorherigen polnischen Regierung, wurden in Berlin nie ernst genommen. Die heutige nationalpopulistische Regierung spricht nun einen Generalverdacht aus: Dass deutsche Politiker sich im Zweifelsfall eher mit den Russen einigen, als Interessen und Sorgen der Zentraleuropäer ernst zu nehmen.“

wPolityce.pl (PL) /

Polen wird gestärkt

Mit Trumps Besuch wächst Polens Bedeutung auf der internationalen Bühne, findet Wpolityce.pl:

„Der US-Präsident trifft sich mit den Führern von etwa einem Dutzend Ländern, die alle von russischen Gaslieferungen abhängig sind. Polen möchte sich davon unabhängig machen und Donald Trump hat die schnell wachsenden amerikanischen Gasvorräte im Angebot. ... Das Angebot der Amerikaner ist sehr verlockend. Nicht unwichtig ist außerdem, dass schon dieses Jahr amerikanische Soldaten in Polen stationiert sind. ... Diese Aspekte von Trumps Besuch an der Weichsel dürften vor allem Wladimir Putin wütend machen, aber auch für Frankreich und Deutschland sind sie ein Dämpfer. Gleichzeitig wächst die Bedeutung Polens in der internationalen Politik, egal welche Signale Trump aussendet. Und deswegen ist es sehr wichtig, dieses Treffen gut zu nutzen.“

Rzeczpospolita (PL) /

US-Präsident nicht zu sehr hofieren

Rzeczpospolita dagegen empfiehlt den Polen eine pragmatische Sicht auf den Besuch:

„Es wäre ein Fehler, diesen Besuch nur unter dem Aspekt der komplizierten Persönlichkeit Donald Trumps zu sehen. Denn Trump kommt als Führer des mächtigsten Landes der Welt nach Warschau und zugleich als Garant unserer Grenzen. ... Deshalb sollte Polen dem Präsidenten einen guten Empfang bereiten, unabhängig von emotionalen Fragen. Wenn er uns politisch stärken will, sollten wir das zu schätzen wissen. Wenn durch den Besuch Polens Bündnis mit den USA enger wird, umso besser. Allerdings sollte man unsere Politiker vor übermäßiger Demut warnen. Demut würde weder unsere Position in Europa stärken, noch auf irgendwen sonst einen guten Eindruck machen. Das sind wichtige Aspekte, schließlich werden wir, wenn der Präsident in die USA zurückkehrt, weiterhin in Europa sein.“