Netanyahu und Orbán reichen sich die Hand

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu ist seit Montag zu einem mehrtägigen Besuch in Ungarn. Bei einem Treffen sicherte ihm der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán „null Toleranz“ gegenüber Antisemitismus zu – was viele Beobachter nicht zuletzt wegen der umstrittenen Anti-Soros-Kampagne als Lippenbekenntnis werten. Was versprechen sich die beiden Regierungschefs von ihrem Schulterschluss?

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taz, die tageszeitung (DE) /

Persilschein für Ungarns Premier

Mit seinem Besuch hat der israelische Regierungschef seine Glaubwürdigkeit im Kampf gegen zunehmenden Antisemitismus in Europa endgültig verspielt, kommentiert die taz:

„Netanjahu braucht Verbündete in Europa und Viktor Orbán ist ein Mann nach seinem Geschmack. Die beiden Rechtspopulisten sind sich einig, wenn es um die Marginalisierung von Kritikern, um Meinungs- und Pressefreiheit oder auch um den Umgang mit Menschenrechten geht. Ungarn sprang Israel außerdem zur Seite und protestierte gegen die Kennzeichnungspflicht von Produkten aus den Siedlungen im Westjordanland, als die EU darüber entschied. Orbán kommt umgekehrt der Besuch Netanjahus wie gerufen. Wenn der Chef des Jüdischen Staates kein Problem damit hat, ihm freundschaftlich die Hand zu reichen, dann soll keiner mehr kommen und ihm oder seiner Partei Antisemitismus vorwerfen. Netanjahu erteilt Orbán einen Persilschein.“

Gazeta Wyborcza (PL) /

Israel braucht die Visegrád-Staaten

Netanjahu stellt sich trotz Orbáns Anti-Soros-Kampagne auf seine Seite, analysiert Gazeta Wyborcza und erklärt sich das so:

„Beide Führer haben etwas gegen die Opposition, freie Medien, fremde Einwanderer, Menschenrechte, eine EU, die sich einmischt und George Soros. ... Ungarn gehört zu den engsten Verbündeten Israels in der EU, ähnlich wie die übrigen Visegrád-Staaten. ... Warum also sollte der Premier Israels da nicht zu Orbán halten - oder auch zur Visegrád-Gruppe -, sondern zu den Juden? ... Nur deshalb, weil die Juden an ihrem altmodischen Antifaschismus festhalten und an ihrer Sensibilität gegenüber Antisemitismus in Europa, das sich so drastisch verändert? ... Die Premiers der Visegrád-Gruppe haben vier Stimmen im Europäischen Rat und in den Vereinten Nationen.“