Death of Stalin: Russland verbietet Filmstart

Wenige Tage vor der geplanten Premiere hat Russlands Kulturministerium die Komödie The Death of Stalin verboten - während sie in der Ukraine am Donnerstag angelaufen ist. In dem britisch-französischen Film werden die letzten Tage des Diktators und der Machtkampf nach seinem Tod thematisiert. Was löst der Film in den einstigen Sowjetländern aus?

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The Moscow Times (RU) /

Über Stalin lachen heißt, den Kreml verhöhnen

Das Verbot der Komödie in Russland ist dem Umstand geschuldet, dass die Staatsmacht dort grundsätzlich nicht zum Witzobjekt gemacht werden will, erklärt Gastkommentator Andrej Archangelsky in The Moscow Times:

„Es scheint, als sei Gelächter über Stalin ein gefährliches Virus, das um jeden Preis gestoppt werden muss. Dank all der TV-Sender und Regisseure, die endlos Filme über die 1930er bis 1950er Jahre gedreht haben, ist Stalin zu einem Bildschirmsymbol für Herrschaft geworden. Er ist die Personifizierung der all diesen Sendungen zugrundeliegenden Idee, dass die Staatsmacht die Kontrolle über die Gesellschaft innehat und auch auf ewig behalten wird. Stalin zum Gespött zu machen ist darum gleichbedeutend mit Verhöhnung der Staatsmacht - und deshalb unzulässig.“

LB.ua (UA) /

Witze über die Täter sind erlaubt

Wie der teilweise in Kiew gedrehte Streifen in der Ukraine wahrgenommen wird, erklärt die Journalistin Darija Bador im Onlineportal LB:

„Der Film beantwortet die Frage, ob man über tragische historische Ereignisse lachen kann, bekräftigend, doch mit einem Vorbehalt: Lachen kann man nicht über die Tragödie, wohl aber über die Menschen, die diese möglich und real machten. Ist es angemessen, die Opfer des stalinistischen Terrors in einer phantasmagorischen Komödie zu zeigen? ... Am Beispiel eigener Filme kann man in der Ukraine diese Frage vorerst nicht diskutieren. So lässt sich die Diskussion nur anhand importierter Fälle üben. Das Gute ist, dass sich Regisseur Iannucci in einer hinreichenden historischen Distanz befindet, um sich das zu gestatten, was wir uns nicht erlauben können.“

Snob (RU) /

Stalinismus kehrt schleichend zurück

Die bekannte Literaturkritikerin Irina Prochorowa wertet das Verbot in Snob als Menetekel einer Stalin-Renaissance in Russland:

„Der Skandal um den Film steht offensichtlich in einer Reihe mit Repressionen gegen [die NGO] Memorial, Menschenrechtler, aufmüpfige Künstler und alle Gegner eines repressiven Systems. Die schleichende Stalinisierung ist noch nicht in Rechtsnormen gegossen, doch bei einem solchen Tempo der ideologischen Indoktrination würde es mich nicht wundern, wenn Stalin und seine Handlanger bald in den Rang von Unantastbaren erhoben werden ... Es wird nicht mehr lange dauern, bis jemand zur Rechenschaft gezogen wird, weil er mit einer Herabsetzung der Verdienste des Großen Führers die Gefühle von Pseudo-Veteranen (oder Geheimdienstlern) verletzt haben soll.“

Radio Kommersant FM (RU) /

Ein willkommener Anlass zur Zensur

The Death of Stalin ist für Russland ein schwer verdaulicher Stoff - und ein gefundenes Fressen für Anhänger der Zensur, kommentiert Radio Kommersant FM:

„Der Film handelt vom tragischsten und schlimmsten Kapitel unserer jüngeren Geschichte, als in Gefängnissen und Lagern Hunderttausende umkamen. Witze darüber sind unangebracht und beleidigend. Doch im Westen macht man sich keine Gedanken darüber, was für Russland die sowjetische Vergangenheit bedeutet. … Ein Erbe des Kalten Kriegs sind Klischees - und die werden benutzt. Nun wirken derartige Filme aber in unserer zornigen Gesellschaft wie Trumpfkarten für offen extremistische, obskure Kräfte - jene, die Ausstellungen oder Theaterstücke sprengen, weil sie ihnen unrussisch oder subversiv erscheinen. Ihnen ist es egal, ob es um Nikolaus II. oder die Kommunisten geht - Hauptsache, verbieten.“