Puigdemont kommt unter Auflagen frei

Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont ist gegen die Zahlung einer Kaution freigekommen. Die Richter am Oberlandesgericht Schleswig urteilten, dass die katalanische Unabhängigkeit nicht gewaltvoll vorangetrieben wurde, deshalb der Rebellions-Vorwurf der spanischen Justiz unhaltbar sei und ihr Auslieferungsantrag abgelehnt werden müsse.

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El Mundo (ES) /

Europäischer Rechtsstaat oder Viertes Reich

Über die Entscheidung des Oberlandesgerichts in Schleswig, den von der spanischen Justiz gesuchten Puigdemont nicht wegen Rebellion auszuliefern, ärgert sich Kolumnist Federico Jiménez Losantos in El Mundo:

„Das schleswig-holsteinische Gericht beteiligt sich am katalanischen Putsch, indem es Spaniens Obersten Gerichtshof die Kompetenz abspricht, über in unserem Land begangene mutmaßliche Straftaten zu urteilen. ... Ein Europäischer Haftbefehl sollte einfach ausgeführt und weder kommentiert noch aufgehoben werden. Denn wer sind die Richter eines Regionalgerichts eines Mitgliedstaates, dass sie die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs eines anderen Staats aufheben dürfen? Es gibt höhere Instanzen in Europa. Und wenn es sie nicht gibt, gibt es kein Europa. Sondern nur ein Viertes Reich.“

Rzeczpospolita (PL) /

Deutschland verrät Rajoys Spanien

So sollte Deutschland mit seinem treuen Verbündeten Spanien nicht umspringen, warnt Rzeczpospolita nach der Freilassung Puigdemonts:

„Auf dem Höhepunkt der Krise ließ Mariano Rajoy, gemäß den Weisungen Angela Merkels, strenge Wirtschaftsreformen durchführen und bewahrte auf diese Weise sein Land vor dem Bankrott und die EU vor dem Untergang. Heute hat der spanische Premier jedoch guten Grund, sich verraten zu fühlen. Wenn seinen Platz - so wie in Italien - europafeindliche Populisten einnehmen, muss Berlin einen Teil der Schuld auf sich nehmen. Dann kann es für die EU allerdings schon zu spät sein.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Richter keine Handlanger der Politik

Berlin kann sich nun nicht länger hinter der Justiz verstecken, mahnt die SZ:

„[D]ie Richter sind nicht dafür da, der deutschen Politik Schwierigkeiten zu ersparen und die Folgen von politischen Versäumnissen juristisch zu kaschieren. Der Konflikt in Spanien harrt einer politischen Lösung - dabei muss europäische Politik, dabei muss deutsche Politik helfen. Die Richter in Schleswig waren und sind nicht dafür da, Nothelfer der Politik zu spielen und bei diesem Spiel rechtliche Bedenken unter den Tisch zu kehren. Wenn es gut geht, wenn es ganz gut geht, dann ist der Spruch der deutschen Richter der Beginn für eine politische Lösung, der Einstieg in Verhandlungen. Mittels Strafrecht lassen sich die spanischen Probleme nicht lösen.“

La Vanguardia (ES) /

Deutschland öffnet Spaniens Justiz die Augen

Die Entscheidung des Gerichts in Schleswig könnte Spaniens Justiz zum Umdenken bewegen, glaubt La Vanguardia:

„Der juristische Prozess gegen den katalanischen Abspaltungsversuch, den die Regionalregierung unterstützte, ohne sich groß um die Gesetze zu scheren, wird weitergehen. Daran kann und darf kein Weg vorbeiführen. Denn gegen kriminelle Taten muss die Justiz das Gesetz verteidigen. Aber die Entscheidung der Justiz des politisch und wirtschaftlich stärksten Landes in Europa stellt einen Wendepunkt im Prozess gegen die Separatisten dar. Oder zumindest in der Art und Weise, wie dieser angegangen wird. Die spanische Justiz ist zweifellos unabhängig. Doch die Kollegen in Deutschland haben ihr vor den Augen ganz Europas verdeutlicht, dass man die Dinge auch anders sehen kann.“