Was machen Populisten aus Italien?

Mit dem Vorschlag eines neuen Kandidaten für das Amt des Wirtschafts- und Finanzministers haben die Protestbewegung Cinque Stelle und die rechtsgerichtete Lega den Weg für eine gemeinsame Regierung freigemacht. Premier wird nun doch der Rechtsprofessor Giuseppe Conte. Europas Kommentatoren diskutieren weiter darüber, ob das Experiment in Rom gut gehen kann.

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Zeit Online (DE) /

Europa bedeutet Einmischung

Zeit Online kritisiert die Auffassung, dass sich der Rest Europas nicht in die Angelegenheiten Italiens einzumischen hätte:

„[D]ann müssten wir ... aufhören, von einer europäischen Öffentlichkeit zu reden. Jede Nation unterhielte sich dann nur mehr mit sich selbst, stritte, zerfleischte oder versöhnte sich. Je nachdem. Aber ein Gespräch zwischen den Nationen wäre dann unerwünscht, geradezu unmöglich. ... Die EU ist auf Nationalstaaten aufgebaut. Jede Nation hat ihre Empfindlichkeiten, die sich zu einem guten Teil aus ihrer Geschichte erklären. Das lässt sich beklagen, aber nicht einfach aus der Welt schaffen. Darauf sollte jeder Rücksicht nehmen, doch das heißt nicht, dass man zum Schweigen verurteilt ist. Wenn man beim anderen eine Gefahr erkennt, die für alle bedrohlich ist – dann sollte sie deutlich benannt werden.“

Večernji list (HR) /

Auf alle Fälle etwas komplett Neues

Verfrüht findet Večernji list die Kritik am neuen Bündnis in Italien:

„Die neue Regierung aus Cinque Stelle und Lega muss erst zeigen, ob sie die zahlreichen Wahlversprechen einlösen kann. Manche nennen diese Regierung populistisch, andere Anti-Establishment, dritte bezeichnen sie als rechts, doch ist sie in Wahrheit in Italien und ganz Europa einzigartig. Cinque Stelle hat linkes Gedankengut, wenn es ums Soziale geht, aber auch rechtes, wenn es um den Schutz der Grenzen vor Migranten geht. ... Das Wichtigste ist, diese Regierung nicht in alte Schubladen einzuordnen, denn sie ist etwas Neues. Über ihren Erfolg oder Misserfolg werden wir später diskutieren.“

De Volkskrant (NL) /

Italiens großes Experiment

Ähnlich sieht die Situation De Volkskrant:

„Darüber sind sich die Italiener in jedem Fall noch einig. Jeder Italiener sieht schließlich, dass Premier Giuseppe Conte ohne jegliche politische Erfahrung eine Ministertruppe führen soll. Da sind einerseits die rechten Lega-Politiker, die vor allem die Interessen des reicheren Nordens vertreten wollen. Demgegenüber steht die Gruppe der Fünf-Sterne-Politiker, die mit einer Reihe traditionell linker Versprechen gerade den Wählern im ärmeren Süden helfen wollen. Außerdem kosten all die Versprechen zusammen mehr als 100 Milliarden Euro - Geld das Italien schlichtweg nicht hat. ... Während die einen die Sicherheitsgurte festzurren, in Erwartung einer Notlandung, ist ein anderer Teil - die Mehrheit - neugierig und hoffnungsvoll. Ein Experiment, so sagen sie, kann nämlich auch positiv enden.“

Avvenire (IT) /

Es gibt einfach keine Alternative

Die Erleichterung über die Einigung von Lega und Cinque Stelle ist der Alternativlosigkeit geschuldet, konstatiert Avvenire:

„Es ist paradox: Innerhalb nur weniger Tage begrüßen wir voller Hoffnung die Geburt einer Regierung, die von ihren eigenen Initiatoren bereits tot gesagt worden war und über die wir in Wahrheit eher besorgt sein müssten. ... Das Team von Premier Conte und der beiden Vizepremiers, Lugi Di Maio und Matteo Salvini, ist de facto eine 'politische' Regierung in den Händen eines 'Technokraten'. Und zwar auf der Basis eines Vertrags, der schwer umzusetzen ist und von politischen Kräften vereinbart wurde, die im Wahlkampf stolze Gegenspieler waren und deren aktuelles Verhältnis von Argwohn geprägt ist. Doch es gibt keine Alternative und wichtige innenpolitische und internationale Fragen dulden keine Aufschub mehr.“

Corriere del Ticino (CH) /

Regierungsparteien sind sich nicht grün

Die neue Regierung steht auf wackligen Beinen, findet auch Corriere del Ticino:

„Das chaotische Klima der letzten Tage hat das Verhältnis zwischen Di Maio und Salvini zum Teil getrübt. Der Chef der Cinque Stelle muss heute feststellen, dass er vom Chef der Lega bezwungen wurde und klagt, dass er sich einer Partei unterwerfen muss, die nur die Hälfte der Stimmen seiner Partei besitzt. Dabei hat man den Eindruck, dass die Cinque Stelle sich im Bündnis mit der Lega ungeschickt verhalten haben und generell der Versuch unternommen wurde, politische Programme zweier rechter Parteien unter einen Hut zu bringen, die im Grund nur die anti-systemische und anti-institutionelle Natur vereint. Die Unterschiede aber bleiben bestehen und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie die Zusammenarbeit innerhalb der Regierung belasten.“