Eine letzte Rate an Athen

Die Euro-Finanzminister haben eine letzte Zahlung an Griechenland beschlossen, damit das Land ab August wieder eigenständig auf den Kreditmärkten agieren könne. Zudem wurden Fristen zur Rückzahlung von Krediten um zehn Jahre verschoben. Journalisten haben an dieser Lösung einiges zu bemängeln.

Alle Zitate öffnen/schließen
Corriere del Ticino (CH) /

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Dass die Probleme nur in die Zukunft verschoben wurden, kritisiert der Finanzexperte von Corriere del Ticino, Carlo Rezzonico:

„Es sei mir erlaubt, nicht in den großen Chor des Lobes einzustimmen. … Denn mit den Fristenverlängerungen verschieben die jetzigen verantwortlichen Politiker das Problem nur und lassen es ihren Nachfolgern als Vermächtnis. Diese können es auf zwei Arten lösen: Sie können ihrerseits neue Verlängerungen gewähren und das Problem weiter auf nachfolgende Generationen übertragen. Oder aber sie können entscheiden, den Schuldenschnitt vorzunehmen und dabei zu ihrer Verteidigung anführen: 'Tut uns leid, aber nicht wir haben den Schaden angerichtet.'“

Le Quotidien (LU) /

Merkels unerträgliche Geschichtsvergessenheit

Das Schlimmste am ganzen Griechenland-Drama sind die Moralpredigten der deutschen Kanzlerin, bemängelt Le Quotidien im Leitartikel:

„Sie sind völlig fehl am Platz, erinnert man sich an die wirtschaftliche Geschichte ihres Landes. Denn allein im 20. Jahrhundert war Deutschland drei Mal bankrott! 1953 beispielsweise wurden der Bundesrepublik mit dem Londoner Abkommen über die Hälfte ihrer Schulden aus der Zeit vor und nach dem Krieg erlassen. Deutschland hat ganz offensichtlich vergessen, dass es vor einem halben Jahrhundert nur zu Lasten seiner Gläubiger, die damals beschlossen, einen Schlussstrich zu ziehen, wieder auf die Beine kommen konnte, während der Rest Europas mit der Behebung der Kriegsschäden beschäftigt war. … Einer der Gläubiger war Griechenland - welches heute Bedauern verspüren dürfte.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Schuldenschnitt ist nur aufgeschoben

Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist die griechische Krise alles andere als überwunden:

„Die Laufzeiten der griechischen Kredite haben eine absurde Länge erreicht. Ähnlich absurd ist die Annahme, dass Griechenland viele Jahre lang einen bis aufs Komma errechneten Primärüberschuss erzielt. Eine Wirtschaftsentwicklung, die diesen Dauerüberschuss erlauben würde, ist fast ausgeschlossen. Dass die griechische Haushaltspolitik sich an die damit verknüpften Vorgaben hält, ist noch unwahrscheinlicher. Und darauf, dass sich die griechische Wirtschaftsstruktur dauerhaft verbessert hätte, deutet nichts hin. Mit anderen Worten: Die griechische Schuldenlast bleibt untragbar, der auf Dauer unvermeidliche Schuldenschnitt ist ein weiteres Mal in die Zukunft verschoben worden.“

To Vima (GR) /

Griechenland braucht einen Wachstumsplan

Nur mit einem soliden Wachstum kann Griechenland es aus der Krise schaffen, erklärt To Vima:

„Ein weiterer Zyklus von Illusionen und Selbsttäuschungen ging am Freitag in Luxemburg zu Ende. Die Entscheidung der Eurogruppe, einen Teil unserer Schulden zu regulieren, ist weit entfernt von den langjährigen Erwartungen der Regierung. … Der einzige Weg aus der ständigen Austerität ist Wachstum. Griechenland wird sich nur erholen, wenn es bis 2022 Wachstumsraten von mehr als drei Prozent jährlich erreicht. Eine Reihe von positiven Entwicklungen für Wirtschaft, Arbeit und Staat ist das Einzige, was die Zweifel und Verdächtigungen seitens des internationalen Wirtschaftssystems überwinden und Vertrauen schaffen kann.“

El País (ES) /

In Zukunft müsste das anders laufen

Das EU-Krisenmanagement hatte zu viele Fehler, resümiert El País:

„Auch wenn aus heutiger Sicht kaum jemand daran zweifelt, dass es ein Fehler war, Griechenland in den Euro aufzunehmen, ist es ebenso richtig, dass die von Europa erzwungenen Auflagen für Portugal, Irland und Griechenland zu drastisch waren, zu hohe soziale Kosten verursachten, in Sachen Konjunkturförderung wirkungslos und für die politische Stabilität Europas schädlich waren. Das am Freitag beendete Modell hatte viele technische Fehler, die den wirtschaftlichen Spielraum der Regierungen einschränkten und die Löhne weiter sinken ließen. … Griechenland hat uns gelehrt, dass Rettungsprogramme, sollten sie noch einmal nötig werden, anders aussehen müssen.“

Die Presse (AT) /

Griechen stemmen eine Herkulesaufgabe

Die Tageszeitung Die Presse lobt die Leistungen der Regierung in Athen bei der Haushaltssanierung:

„Es ist müßig zu klagen, man hätte die Marktkräfte walten und Griechenland pleitegehen lassen sollen. Das war den Akteuren zu riskant, vielleicht hatten sie Recht. Es ist müßig zu klagen, ein geordneter Euroaustritt wäre klüger gewesen. Die Griechen lehnten das ab, sie wollen nicht in einem Schwellenland vor den Toren Europas leben. Dafür nehmen sie viele Entbehrungen in Kauf, bis heute. Denn Hellas liegt weiter darnieder: Zwei Jahre zaghaften Wachstums nach einem Einbruch der Wirtschaftskraft von 28 Prozent sind noch viel zu wenig. Auch unter Syriza blühen Günstlingswirtschaft, Korruption und laxe Steuermoral. Aber ein Haushaltsdefizit von 15 Prozent in konstante Überschüsse zu drehen war eine Herkulesaufgabe, von der sich Österreichs zaghafte Budgetsanierer inspirieren lassen könnten.“

taz, die tageszeitung (DE) /

Respekt für Syriza!

Dass in Griechenland antieuropäische Populisten keine Massenbewegung in Gang setzen konnten, ist allein der Syriza-Regierung zu verdanken, schreibt die taz anerkennend:

„Ihre Vertreter haben den Kurs der Gläubiger stets als falsch zurückgewiesen und sind ihm mit der Haltung eines Erpressungsopfers gefolgt - und zwar ohne in antieuropäische Ressentiments zu verfallen. Im Gegenteil, die griechische Regierung setzt nach wie vor auf Europa. Respekt! ... Die Euroländer haben jetzt die Chance, ihre Fehler wenigstens partiell zu heilen. Sie müssen Griechenlands neuen Weg so weit unterstützen, wie es nur möglich ist, mit Fördergeldern aus der EU, aber auch bilateralen Programmen. Vor allem Deutschlands Regierung hat eine Menge gutzumachen an Griechenland - und an Europa.“

L'Echo (BE) /

Troika hat sich nicht mit Ruhm bekleckert

Das Verhalten der Troika bei der Rettung Griechenlands war beschämend, empört sich L'Echo:

„Ein Staat, eine europäische Demokratie, wurde entmündigt. ... Das war die Bedingung für diese Rettung - und für Schutz und Fortbestand der Banken. ... Die Eurogruppe, die Blackbox der Eurozone, hat ohne demokratische Kontrolle auf europäischer Ebene Maßnahmen aufgezwungen. Die EU-Kommission hat sich als unfähig erwiesen, die Reformen zu rechtfertigen, ihre Auswirkungen richtig einzuschätzen und sie in eine Strategie langfristigen Wachstums einzubetten. Ganz zu schweigen vom dritten Dieb, dem IWF, der sich der Wiederholung vergangener Fehler schuldig gemacht hat, indem er dazu bereit war, in diesem Stück mitzuspielen, ohne eine präventive Sanierung von Griechenlands Schulden zu fordern.“