Droht Schweden ein Rechtsruck?

In Schweden zeichnet sich vor der Parlamentswahl am Sonntag eine Pattsituation ab, weder für das linke noch für das konservative Lager könnte es für eine Mehrheit reichen. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten dürfen mit rund 20 Prozent der Stimmen rechnen. Kommentatoren skizzieren, was solch ein Wahlausgang für das Land bedeuten würde.

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Süddeutsche Zeitung (DE) /

Schweden vor der Zeitenwende

Ein Erfolg der Schwedendemokraten wäre für Schweden eine besondere Zäsur, stellt die Süddeutsche Zeitung fest:

„In allen Nachbarländern sind die Rechtspopulisten an der Regierung beteiligt oder stützen sie. In Schweden sind sie bisher isoliert. In Skandinavien sind Minderheitsregierungen üblich, die für jede Entscheidung neue Mehrheiten finden müssen. Wenn da die Schwedendemokraten als drittstärkste Partei im Parlament einen Vorschlag still mitgetragen haben, hat sich zwar meist niemand beschwert. Nach außen hin aber war die Botschaft klar: Keine Geschäfte mit den Rechten. Wenn die Partei nun 20 Prozent oder mehr bekommt, wäre das kaum noch durchzuhalten. Schweden war bislang anders. Die Frage ist, ob das nach diesem Sonntag noch gilt.“

Upsala Nya Tidning (SE) /

Auch Neuwahlen sind denkbar

Vor der Wahl am Sonntag ist völlig unklar, wie eine Regierung aussehen könnte, analysiert Upsala Nya Tidning:

„Das Zentrum und die Liberalen haben den Schwedendemokraten die Tür zugeschlagen, sind aber grundsätzlich offen für eine Zusammenarbeit über die Grenzen ihres Lagers hinweg. Das ist [der sozialdemokratische Regierungschef] Löfven auch, aber nur wenn er selbst Premier bleibt. ... Wenn jeder das tut, was er jetzt sagt, müssen die Schweden in drei Monaten erneut wählen. Von einer solchen Entwicklung würden aber wiederum nur die politischen Ränder - die Linken und die Schwedendemokraten - profitieren. Daher sollte zumindest einer der anderen Beteiligten seine Haltung ändern.“

La Repubblica (IT) /

Linke übernimmt Themen der Rechten

Die rot-grüne Regierung trägt eine Mitschuld am Aufstieg der Rechten, findet die Politologin Nadia Urbinati in La Repubblica:

„Die sozialdemokratischen Eliten haben die Aspekte Identität und Sicherheit unterschätzt. Zwei Themen, die die Schwedendemokraten geschickt nutzen. Es geht nicht um das Wohlstandsniveau, das auch Einwanderern großzügig gewährleistet wird, sondern um Kultur und um Sprache. Zwei Werte, die nach Ansicht der Schwedendemokaten durch Zuwanderung bedroht sind. Dabei wird die Integration in Schweden nicht dem Zufall überlassen, sondern gewissenhaft gesteuert - gerade zum Schutz nationaler und sozialer Werte. Doch um die rechte Opposition zu schlagen, sind sozialdemokratische Regierungen zu einer Politik der geschlossenen Grenzen übergegangen. Die Linke mag die Wahl gewinnen, aber sie rückt immer näher an die Rechte heran.“

Dagens Nyheter (SE) /

Immer mehr Einfluss

Dass die Schwedendemokraten maßgeblichen Einfluss auf die schwedische Politik erlangen, ist durchaus realistisch, warnt Dagens Nyheter:

„Früher haben wir davon gesprochen, dass die Schwedendemokraten in der öffentlichen Meinung zunehmend als normal wahrgenommen werden. Darum geht es jetzt nicht mehr, dieser Prozess ist weitgehend abgeschlossen. Nun geht es letztlich um den Einfluss auf die Regierungspolitik. ... Wie wird es klingen, wenn diese Partei Macht einfordert? Sie verspricht 'echte Veränderungen' - und diese Aussage sollten wir außerordentlich ernst nehmen. ... Bisher haben wir vor allem über die [nazistischen] Wurzeln der Schwedendemokraten gesprochen. Doch das ist nicht mehr das Hauptproblem. Was wir nun fürchten müssen, ist nicht die Vergangenheit dieser Partei, sondern ihre Zukunft.“

Jyllands-Posten (DK) /

In der Schmuddelecke wird eine Partei erst stark

Warum die Schwedendemokraten so viele Menschen mobilisieren können, erklärt der Historiker Lars Hovbakke Sørensen in einem Gastbeitrag in Jyllands-Posten:

„Eine wichtige Erklärung ist die Flüchtlingskrise von 2015. Schweden nahm damals weitaus mehr Flüchtlinge auf als die meisten anderen europäischen Länder. Doch ein weiterer wichtiger Grund besteht darin, dass viele schwedische etablierte Parteien - obgleich inzwischen selbst Verfechter einer strengeren Asylpolitik - die Schwedendemokraten nach wie vor von politischem Einfluss fernhalten wollen. ... Zahlreiche aktuelle Erfahrungen aus verschiedenen europäischen Ländern zeigen: Wenn Politiker eine bestimmte Partei in die Schmuddelecke stellen, dann wendet sich ein Teil der Wähler aus Protest genau dieser Partei zu.“

888.hu (HU) /

Endlich erhört jemand die Bürger

Die Schwedendemokraten sprechen wichtige Themen an, findet das national-konservative Portal 888.hu aus Ungarn:

„Nach Ansicht der Schwedendemokraten belasten die Einwanderer den von den Sozialdemokraten als so schützenswert angesehenen Wohlfahrtsstaat. ... Und dann gibt es da noch die Frage der öffentlichen Sicherheit, die von den Migranten ruiniert wurde - egal was die Gegenseite behauptet. Man denke nur an die ganzen Messerstechereien, Bandenkriege und Terrorangriffe, die vor der Ankunft muslimischer Migranten undenkbar gewesen wären. Letztlich können die Schwedendemokraten auch darauf bauen, dass nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Bürger des skandinavischen Landes schon seit den 1990er Jahren keine Einwanderung mehr wollen. Nur hat sich bislang keine einzige Regierung um diesen Wunsch des Volkes geschert.“

Aftonbladet (SE) /

Tolerierung wird teuer

Die Allianz der konservativen Parteien muss sich endlich festlegen, ob sie sich nach der Wahl von den Schwedendemokraten tolerieren lassen wird, fordert Aftonbladet:

„Das richtig große Problem ist, dass die vier Parteien keinen ihrer Vorschläge aus eigener Kraft werden umsetzen können. Die Allianzparteien brauchen die Unterstützung der Schwedendemokraten, um ihre 'Reformagenda' durchzubringen, und das wird sicher teuer. Die Einschätzung, von den Schwedendemokraten abhängig zu sein, ist der Knackpunkt in der Allianz, bei dem sich die Partner nicht einig sind. Dabei geht es um die Regierungsbildung. Ohne eine sinnvolle gemeinsame Antwort darauf können sich die vier Parteien nicht allen Ernstes als politischer Block bezeichnen.“

Der Nordschleswiger (DK) /

Das Dilemma mit den Rechtspopulisten

Der Nordschleswiger macht auf die Unterschiede zwischen Dänemark und Schweden im Umgang mit Rechtspopulisten aufmerksam:

„In Dänemark werden ihre Argumente als legitim behandelt, schließlich stehen viele Wähler dahinter. Das ist tatsächlich zutiefst demokratisch und anständig. Das Problem: Die Ziele der 'Rechtspopulisten' sind dies nicht immer. Das nehmen die Schweden mit in die Gleichung, die Dänen nicht. Das ist der Unterschied. In Schweden sind die Ansichten der 'Rechtspopulisten' noch nicht mehrheitsfähig. In Dänemark gehören nationalistische Töne zum Alltag. In Schweden machen Tabus es häufig schwer, eine konstruktive, kritische Debatte abseits der Diffamierung zu führen - in Dänemark wird hingegen nicht selten als naiv belächelt oder verbal eingeschüchtert, wer sich als Kosmopolit und/oder Humanist outet.“