Was machte die Grünen in Bayern so stark?

Die Grünen gehören als zweitstärkste Partei zu den Siegern der Bayernwahl. Mit einem Zuwachs von fast neun Prozentpunkten kamen sie auf 17,5 Prozent der Stimmen – und damit in Bayern erstmals auf ein zweistelliges Ergebnis. Insbesondere in München triumphierten sie und wurden dort mit mehr als 30 Prozent stärkste Kraft. Diesen Erfolg schauen sich Europas Kommentatoren genauer an.

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Kristeligt Dagblad (DK) /

Prinzipientreue zahlt sich aus

Für Kristeligt Dagblad haben die Grünen bewiesen, dass ein konsequenter Politikkurs belohnt wird:

„Die CSU hat viele ihrer Kernwähler vertrieben, als sie Flüchtlinge zu Asyltouristen gestempelt hat und eine durchschaubare Symbolpolitik mit dem Aufhängen von Kreuzen geführt hat, anstatt für bezahlbaren Wohnraum, guten Unterricht und reine Luft zu sorgen. ... Die Grünen - und die Freien Wähler - wurden in Bayern dafür belohnt, dass sie sich ernsthaft mit existenziellen Themen beschäftigt haben. Und die Umweltpartei hat bewiesen, dass ein konsequenter - und humanitärer - Kurs in der Flüchtlingspolitik der Glaubwürdigkeit dient. Es geht zuallererst darum, überzeugend zu argumentieren und für seine Politik zu stehen. Davon können die sogenannten deutschen Volksparteien - und besonders die identitätsverwirrten Sozialdemokraten - lernen. Ansonsten stehen sie bald ohne Volk da.“

Público (PT) /

Global denken, lokal handeln

Ähnlich sieht die Dinge Rui Tavares, Historiker und Ex-EU-Abgeordneter. Er schreibt in Público:

„Die Grünen haben sich stets an ihre Werte und Prinzipien gehalten und sind nicht wie alle anderen einem Zickzack-Kurs gefolgt. Angesichts des Aufschwungs der nationalistischen extremen Rechten haben die Parteien beim Thema Immigration alles und genau das Gegenteil behauptet - und schließlich damit das Vertrauen aller verloren. ... Die Grünen sind ihrer sozialen, ökologischen, kosmopolitischen und proeuropäischen Linie treu geblieben. Und haben an der alten Devise 'global denken - lokal handeln' festgehalten. Angesichts der gegenwärtigen globalen Krisen ist Egoismus eine klare, aber falsche Lösung. Der Aufbau einer Sozial- und Umweltdemokratie von der lokalen bis hin zur nationalen, europäischen und globalen Ebene ist die richtige Antwort. ... Und eine gute Alternative, nicht nur für Deutschland.“

Spiegel Online (DE) /

Es geht eben nicht nur um Migration

Die Grünen haben gut daran getan, sich nicht allein auf das Thema Migration zu fokussieren, meint Jakob Augstein, Kolumnist von Spiegel Online:

„In Deutschland wurde in den vergangenen Jahren geredet, als gäbe es nichts wichtigeres als Ausländer. ... Und jetzt kommen die Grünen und beweisen: Angst ist eben doch nicht alles. Die Grünen waren nämlich in den vergangenen Monaten buchstäblich die einzige Partei, der in der Migrationsfrage nicht die Hand gezittert hat. Alle haben sich von den Rechten treiben lassen. … Ja, Migration ist eine Herausforderung. Und was für eine. Aber es ist bei Weitem nicht die größte. Wenn man die Leute fragt, welche Themen ihnen wichtig sind, rangiert die Migration im hinteren Mittelfeld. Rente, Mieten, Steuern, Kriminalität, Umwelt kommen davor. Das ist bekannt. Man kann das googlen. Aber die Politik kümmert sich einfach nicht darum.“

La Repubblica (IT) /

Die Partei zieht an einem Strang

Der Erfolg der Grünen sollte linken Politikern europaweit zu Denken geben, meint Tonia Mastrobuoni, Berlin-Korrespondentin von La Repubblica:

„Kann der Sieg der Umweltschützer Hoffnung auf die Wiederbelebung einer Politik der Solidarität, der Gemeinschaft, der Europäer, der Kosmopoliten, kurz gesagt, der Linken geben? … Es waren die Grünen, die viele Bayern aus der Blase des Hasses und der Angst vor den Flüchtlingen erweckten, in die die CSU eine der reichsten Regionen der Welt gestürzt hatte. Die große Lektion für andere Länder, vor allem für Italien, ist ihre Fähigkeit, die beiden großen Strömungen zu vereinen, die 'Fundis' und die 'Realos', oder anders gesagt die Seele des 'Kampfes' und die des 'Regierens'. ... Ihre Kraft resultiert aus den drängenden ökologischen Fragen, aber auch aus ihrer langjährigen Regierungsfähigkeit auf kommunaler, regionaler und föderaler Ebene.“