USA und Taliban einig über Friedensabkommen

Die USA und die radikal-islamischen Taliban haben sich auf Grundzüge eines Friedensabkommens für Afghanistan geeinigt. Dazu gehören laut Washington das Versprechen der Taliban, dass Land nicht wieder zum Versteck für internationale Terrorgruppen werden zu lassen, sowie Pläne für einen baldigen US-Truppenabzug. Sieg oder Niederlage für die USA?

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Corriere della Sera (IT) /

Krieg im Namen der guten Sache hat ausgedient

Die USA treten zum x-ten Mal als Verlierer in ihrer Rolle als Weltpolizist ab, lautet das bittere Fazit von Kolumnist Paolo Mieli in Corriere della Sera:

„Wieder einmal haben die USA einen Krieg verloren und krönen als Sieger diejenigen, die sie einst als Feinde bezeichneten und mit denen sie sich angeblich niemals arrangiert hätten. Es geschah Mitte der 1970er Jahre in Vietnam und wiederholte sich mehrere Male. ... Wenn man keine Vorstellung davon hat, wie man ein Land wieder aufbauen könnte, und wenn es vorhersehbar ist, dass man sich am Ende zurückzieht, ohne etwas aufgebaut zu haben, sondern auch noch tausende Tote und weit verbreitete Ressentiments der lokalen Bevölkerung hinter sich lässt, dann sollte man den Ansatz der Waffengewalt im Namen der guten Sache radikal überdenken. So edel sie auf dem Papier klingt.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Afghanistan wird Taliban überlassen

Das Abkommen mit den Taliban gleicht dem Eingeständnis einer Niederlage Amerikas, urteilt die Neue Zürcher Zeitung:

„Präsident Bush hatte den Krieg ausgelöst nach den großen Anschlägen in New York und Washington vom September 2001. Das Ziel war es, die Terroristen auszuschalten und alle jene, die sie aufnahmen. Das schien innert Kürze erreicht: Die Kaida wurde aufgerieben, die Taliban-Herrschaft krachte zusammen. Dann wandte Bush sich seinem Kriegsabenteuer im Irak zu. Afghanistan wurde vernachlässigt, die Taliban krochen aus ihren Verstecken hervor. Sie waren wieder da. Bushs Nachfolger Obama versuchte, mit einem großen Truppenaufgebot die Taliban endgültig zu besiegen. Aber auch der zweite Anlauf misslang ... Präsident Trump scheint nun entschlossen, den Krieg in Afghanistan zu beenden und das Land den Taliban mehr oder weniger zu überlassen.“

Totale Niederlage für Washington

Auf den ersten Blick könnte man die Vereinbarung als Erfolg für Trump sehen, doch auf den zweiten sieht es schon bitterer aus, meint der ukrainische Publizist Iliya Kusa auf seiner Facebookseite:

„Dieser Durchbruch ist ein echtes Geschenk für Donald Trump, der schon 2017 das Thema eines Truppen-Rückzugs aufgebracht hatte. ... Jetzt erhält er eine echte Chance, seinen Traum umzusetzen und kann damit vor den Wahlen 2020 kräftig politisches Kapital schlagen. ... In Wahrheit sind diese Vereinbarungen aber eine totale Niederlage der USA angesichts ihrer 18 Jahre währenden Militärpräsenz. ... Dies wirft nicht nur Fragen auf zur Legalisierung von Terroristen und den moralischen Grundlagen einer Rückkehr der Taliban an die Macht. Man erkennt auch die Aufgabe von Positionen in einer geostrategisch wichtigen Region Asiens.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung (DE) /

Die Flüchtlinge ziehen nach Europa

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht keine gu­ten Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen so­li­den Frie­dens­schluss:

„Die Ta­li­ban ha­ben ih­re mi­li­tä­ri­sche Po­si­ti­on in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ver­bes­sert, sie ha­ben we­ni­ge An­rei­ze für sub­stan­ti­el­le Zu­ge­ständ­nis­se. Die aus­län­di­schen Trup­pen­stel­ler, al­len vor­an die Ame­ri­ka­ner, wol­len da­ge­gen raus aus die­sem schein­bar un­end­li­chen Krieg. ... Wenn Wa­shing­ton sich auf ei­nen Trup­pen­ab­zug ein­lässt im Aus­tausch für ein (not­wen­di­ger­wei­se va­ges) Ver­spre­chen, dass die Ta­li­ban kei­ne aus­wär­ti­gen Ter­ro­ris­ten mehr dul­den, dann wä­re das zu we­nig. Oh­ne in­ne­raf­gha­ni­sche Aus­söh­nung blie­be das Land in­sta­bil. Und die Fol­gen in Form von fort­ge­setz­ten Flücht­lings­strö­men hät­te nicht Ame­ri­ka zu tra­gen, son­dern Eu­ro­pa.“

De Telegraaf (NL) /

Furcht vor neuer Schreckensherrschaft

Die afghanische Regierung steht bei den Verhandlungen im Abseits, kritisiert Frank van Vliet, Chef der Auslandsredaktion von De Telegraaf:

„Der afghanische Präsident Ashraf Ghani kennt die Geschichte seines Landes und weiß, dass ein Friedensabkommen nie lange hält ... Er ist sich nur allzu gut bewusst, dass Trump schnell seine Truppen abziehen will. Die USA sind Afghanistan satt. Er fürchtet nicht zu Unrecht, dass die Taliban dann wieder die Macht ergreifen und ein islamistisches Schreckensregime installieren werden, bei dem es für Musik, Sport und Frauenrechte keinen Platz gibt. Das Versprechen, dass die Taliban ausländischen Terror nicht mehr tolerieren, hat für die afghanische Bevölkerung keinen Wert und ist für den Rest der Welt unsicher.“