Gesamte Politik-Redaktion verlässt Kommersant

Die komplette Politik-Redaktion der russischen Tageszeitung Kommersant hat gekündigt, nachdem zwei Journalisten entlassen worden waren. Sie hatten über die mögliche Degradierung der Vorsitzenden des Föderationsrats zur Leiterin des staatlichen Pensionsfonds geschrieben. Was sagt der Fall über das Medium, das dem Kreml-nahen Oligarchen Alischer Usmanow gehört, und die russische Pressefreiheit aus?

Alle Zitate öffnen/schließen
Nowaja Gaseta (RU) /

Verlagsbesitzer haben zu viele gute Freunde

Enge Beziehungen der Medieneigentümer zum russischen Staat sind eine Gefahr für die Pressefreiheit, meint Nowaja Gazeta:

„Die Besonderheit des russischen Staatskapitalismus liegt darin, dass Medienbesitzer in unzählige Verflechtungen mit Staatsbeamten, deren Freunden und Aktiva eingebunden sind. Professioneller Journalismus bedeutet, dass Medien ohne Eigeninteresse über die Geschehnisse im Land berichten. Wie der Fall Kommersant zeigt, ist das unmöglich: Worüber man auch schreibt, man riskiert, die Klientel des Medieneigners zu streifen und dafür entlassen zu werden. Die russische Zensur hat sich gewandelt: Musste man früher nur eine dicke durchgezogene Linie beachten, so gibt es heute willkürlich aufgestellte Fallen. Überleben können unter solchen Bedingungen nur Propagandisten, die vorgegebene Themenlisten abarbeiten.“

Wedomosti (RU) /

Journalismus verkommt zum reinen Business

Der Konflikt ist ein Indiz dafür, dass russische Medien von ihren Besitzern inzwischen als reine Geschäftsaktiva betrachtet werden, meint Dmitri Kamyschew, von 1992 bis 2012 selbst Kommersant-Redakteur, in Wedomosti:

„Seitdem Usmanow Kommersant übernommen hat, herrscht in dem Unternehmen ein rein geschäftlicher Umgang mit den Journalisten, als seien sie gewöhnliche kleine Rädchen in einem großen Konzernmechanismus, die sich nicht im Geringsten von irgendwelchen Tradern oder Merchandisern unterscheiden. Und weil der Kapitalismus bei uns in Russland ein staatlicher ist, wurde bei jedem Konflikt über einen 'unrichtigen' Artikel für die Inhaber des Verlags die Position des Staats oder seiner Vertreter zum entscheidenden Faktor.“